zum Hauptinhalt
Die Betreuung in deutschen Pflegeheimen lässt zu wünschen übrig.

© dpa

Prüfbericht der Krankenkassen: Hunderttausende Heimbewohner falsch gepflegt

Ein Prüfberichts stellt deutschen Pflegeeinrichtungen ein übles Zeugnis aus. In der Wahl der Behandlungsmethoden sind manche Einrichtungen zudem offenbar nicht gerade zimperlich.

Trotz regelmäßiger Kontrollen von Pflegeheimen und ambulanten Diensten werden in Deutschland nach wie vor Hunderttausende von Pflegebedürftigen falsch versorgt, vernachlässigt und gesundheitlich geschädigt. Dies ist das Ergebnis eines neuen Prüfberichts der Krankenkassen. Hochgerechnet drohen demnach jedem zweiten der rund 700 000 Heimbewohner Druckgeschwüre durch falsche Lagerung, bei mehr als 40 Prozent der Gefährdeten fehlt es an entsprechender Vorsorge. Und 20 Prozent der Pflegebedürftigen, also etwa 140 000 Menschen, werden hinter Bettgittern verwahrt oder im Rollstuhl festgegurtet – jeder zehnte davon ohne die vorgeschriebene richterliche Genehmigung.

Im Vergleich zu früheren Erhebungen habe sich die Qualität der Pflege dennoch deutlich verbessert, sagte der Geschäftsführer des für die Kontrollen zuständigen Medizinischen Dienstes der Kassen, Peter Pick. Bei 95 Prozent der Heimbewohner sei der Ernährungszustand angemessen, fünf Prozent seien aufgrund von Pflegeversäumnissen mangelernährt. 2007 hatten die Prüfer noch bei jedem Dritten Mängel bei Ernährung und Flüssigkeitsversorgung festgestellt. Die Verbesserungen seien umso bedeutender, als sich der Pflegebedarf der Heimbewohner weiter erhöht habe, sagte Pick. Zwei Drittel der Heimbewohner benötigten inzwischen Hilfe beim Essen und Trinken. Und vier von fünf Betroffenen erhielten diese Unterstützung im erforderlichen Umfang.

Keine Verbesserungen dagegen registrierten die Prüfer bei der Vermeidung von Druckgeschwüren, bei freiheitsentziehenden Maßnahmen und dem Umgang mit Medikamenten. Bei fast jedem fünften Pflegebedürftigen erwies sich die Arzneiversorgung als nicht sachgerecht. Auffällig ist insbesondere das fehlende Augenmerk auf Menschen mit chronischen Schmerzen – mehr als ein Drittel aller Heimbewohner. Nur 55 Prozent dieser Patienten werden systematisch betreut, sechs Prozent erhalten ihre Schmerzarznei nicht wie verordnet. Außerdem würden zu viele ruhigstellende Medikamente verabreicht, sagte Pick. Dies sei allerdings nicht den Pflegekräften anzulasten, hier müssten die Ärzte umdenken.

Beim Umgang mit Demenzkranken bewerteten es die Prüfer positiv, dass drei von vier Betroffenen geeignete Bewegungs- oder Kommunikationsangebote erhielten. Bei einem Viertel allerdings lasse die Betreuung im Heim zu wünschen übrig. Und in der ambulanten Versorgung sei der Umgang mit Demenzkranken sogar schlechter geworden.

Insgesamt wurden 62 000 Heimbewohner und 45 000 ambulant versorgte Pflegebedürftige befragt und auf ihren Zustand geprüft. Dem Bericht zufolge sind 61 Prozent der Heimbewohner durch Demenz oder andere gerontopsychiatrische Krankheiten eingeschränkt. Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen, forderte angesichts dieser Zahlen eine schnelle Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Zudem solle das Parlament prüfen, ob die vorgesehenen Leistungsverbesserungen für Demenzkranke nicht schon vor 2013 möglich seien. Am Donnerstag berät der Bundestag erstmals über die Pflegereform.

Der Deutsche Ethikrat forderte einen menschlicheren Umgang mit Demenzkranken. Die vorgesehene Erhöhung des Pflegegelds, die geplanten Zuschüsse für Pflege-Wohngemeinschaften und die neuen Wahlmöglichkeiten bei der Inanspruchnahme ambulanter Pflegedienste seien „nur erste Schritte“, hieß es in einer Stellungnahme. Zudem müsse mehr Augenmerk auf freiheitsentziehende Maßnahmen in Pflegeheimen gelegt werden. Dort litten „mehr Menschen unter Freiheitsentzug als in deutschen Gefängnissen“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Hospizstiftung, Egon Brysch.

Zur Startseite