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Politik: Prüfen gerne, ändern nicht

Struck will die Wehrpflicht mit allen Mitteln verteidigen. Und den Grünen fehlt eine Idee, um den Konflikt zu lösen

Von Robert Birnbaum

Peter Struck guckt so unschuldig wie nur irgend möglich. „Ich habe überhaupt nicht die Absicht, den Koalitionspartner zu überfordern“, sagt der Verteidigungsminister. Ob seine Zuhörer in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg die feine Ironie heraushören, ist nicht auszumachen. Aber bei den Offizieren, die hier ausgebildet werden, ist die zentrale Botschaft ohnehin angekommen. Struck wird die Wehrpflicht mit allen Mitteln verteidigen. Und er ist fest entschlossen, den grünen Koalitionspartner mit seiner Forderung nach einer Freiwilligen- und Berufsarmee ins Leere laufen zu lassen.

Das Szenario zeichnete sich im Grunde schon im vorigen November ab. Die Grünen feierten es noch als ihren Sieg, dass sie in den Koalitionsvertrag die Formulierung hineinverhandelt hatten, im Lauf der Wahlperiode werde die Wehrverfassung „überprüft“. Da konnte, wer wollte, bei der SPD schon ganz andere Töne hören: „Überprüfen“ könne man gerne – nur stehe das Ergebnis vorher fest. Zwar gibt es auch unter Sozialdemokraten prominente Wehrpflicht-Gegner, etwa Familienministerin Renate Schmidt. Aber bei den maßgeblichen Leuten inklusive dem Kanzler kann sich Struck der Unterstützung der Wehrpflicht sicher sein.

Und so laufen die Dinge denn auch ganz in seinem Sinne. Als Struck unlängst im Kabinett seine neuen verteidigungspolitischen Richtlinien samt Bekenntnis zur Wehrpflicht vorstellte, setzten die Grünen zwar durch, dass die Ministerrunde dem Erlass nicht förmlich zustimmte. Außenminister Joschka Fischer gab sogar ausdrücklich die abweichende Meinung seiner Partei zu Protokoll. Aber dabei blieb es auch.

Tatsächlich passt den Grünen die Struck’sche Starrköpfigkeit überhaupt nicht – aber wie der Interessenkonflikt in ihrem Sinne gelöst werden könnte, dafür gibt es bisher beim kleinen Koalitionspartner auch keine zündende Idee. Dies ist ein Grund für die mäßig ausgeprägte Konfliktbereitschaft der Wehrpflicht-Gegner. Es bleibt bei verbalem Protest. So beklagt die Grünen-Chefin Angelika Beer, der Verteidigungsminister betreibe eine „Redogmatisierung“ des Themas, wenn er etwa Berufsarmeen als „Söldnerarmeen“ tituliert. Auch das Tempo, mit dem Struck in der SPD eine Vorentscheidung betreibt, passt der Grünen-Spitze nicht.

Aber im Ernst widerspricht keiner der Grünen-Experten der Feststellung Strucks, ein „klassischer Kompromiss“ nach dem Motto „Treffen wir uns in der Mitte“ sei in dieser Frage nicht möglich. Es gibt nur ein Ja oder ein Nein zur Wehrpflicht – „ein bisschen Wehrpflicht“, sagt auch der SPD-Wehrpolitiker Hans-Peter Bartels, das gehe nicht. Am Dienstag hat denn auch die Arbeitsgruppe Sicherheitsfragen in der SPD-Fraktion ein Papier verabschiedet, das schon im Titel unmissverständlich festhält: „Die Bundeswehr bleibt Wehrpflichtarmee“. Geht es nach Struck und der Fraktionsspitze, wird diese Position in der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 1. Juli von der SPD-Fraktion beschlossen.

Mit dieser Mehrheit im Rücken will sich Struck im Herbst mit den Grünen ans vertraglich vereinbarte Überprüfen machen. Herauskommen wird, sagt Bartels voraus, „ein vernünftiger Konsens, aber kein Kompromiss“. Wenn es nach den jüngsten Vorstellungen im Hause Struck geht, wird das sogar ein Minimalkonsens: Es bleibt fast alles, wie es ist. Zwar prüft Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan derzeit, ob eine Verkürzung des Wehrdienstes bis auf sechs Monate möglich ist – ein Modell, das anfangs bei der politischen Führung durchaus auf Sympathie stieß. Doch Struck erwägt inzwischen, die Wehrdienstzeit einfach bei den heutigen neun Monaten zu belassen. Das hat neben anderen Vorzügen den, dass es einen Rutschbahn-Effekt vermeidet, bei dem immer kürzere Wehrdienstzeiten am Ende die ganze Sache sinnlos machen. Den Grünen, so wird vermutet, könnte zum Trost angeboten werden, den heute noch zehnmonatigen Zivildienst auf ebenfalls neun Monate zu verkürzen.

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