zum Hauptinhalt

Psycho-Sekte: Länder sehen keine Chance für Scientology-Verbot

Der Vorstoß von Hamburgs Innensenator Udo Nagel, Scientology verbieten zu lassen, ist bei Länderinnenministerien und Bundespolitikern auf Zurückhaltung und Ablehnung gestoßen.

Berlin - Ein Verbot sei nicht sinnvoll, „weil das in den Köpfen der Anhänger von Scientology nichts verändert“, erklärte die Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, Dagmar Pelzer. Die Innenministerien von Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern betonten, dass die Schwelle für ein Verbot vom Gesetzgeber bewusst sehr hoch gesetzt worden sei. Der Ruf nach einem Verbotsverfahren sei schnell erhoben, hieß es. Doch müsse man „sehr gründlich sein und genau prüfen, ob die zusammengetragenen Fakten ausreichen“, erklärte der Sprecher des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU). Ähnlich äußerte sich auch der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Baden-Württemberg hält die Beobachtung durch den Verfassungsschutz weiterhin für ausreichend. Der Sprecher von Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) erklärte, es reiche nicht, dass eine Organisation verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Es müsse auch nachgewiesen werden, „dass eine Organisation aggressiv kämpferisch die demokratische Grundordnung bekämpft“. Das aber müsse vor Einleitung eines Verfahrens sehr sorgfältig geprüft werden. Bayern hatte in seinem Halbjahresbericht 2007 des Verfassungsschutzes seine neuesten Erkenntnisse über die Organisation dargelegt. Danach hat im Mai in der Erdinger Stadthalle eine Veranstaltung mit etwa 350 Teilnehmern stattgefunden, bei der ein Film des internationalen Managements der Scientology zur Weltexpansion vorgeführt worden sei. Dem habe sich die Ehrung für Verdienste von Mitgliedern der „Org München“ angeschlossen, und es sei um Spenden geworben worden.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), sieht ebenfalls keine realistische Chance für ein Verbot. Er und der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Bosbach äußerten in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ Zweifel, dass das Material des Verfassungsschutzes ausreiche, um Scientology vor Gericht eine Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen.

1996 war schon einmal die Forderung erhoben worden, Scientology zu verbieten – vom damaligen Düsseldorfer Innenminister Franz-Josef Kniola (SPD). Der damalige CDU-Innenminister Manfred Kanther winkte ab, vereinbarte aber mit seinen Kollegen, Scientology künftig durch den Verfassungsschutz observieren zu lassen. Diese Tätigkeit bilanzierte zehn Jahre später der jüngste Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums: „Die Werbeaktionen der Scientology blieben – wie in den vergangenen Jahren – meist erfolglos. Der Organisation gelang es trotz Forcierung der Kampagne zum Aufbau ,Idealer Orgs‘ weiterhin nur in sehr geringem Umfang, neue Mitglieder zu gewinnen und diese langfristig an sich zu binden.“ Viele der neu gewonnenen Mitglieder hätten Scientology bereits nach kurzer Zeit wieder verlassen oder verhielten sich inaktiv. Martin Gehlen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false