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Politik: Psychologische Kriegsführung

Warum Israel sich trotz seiner modernen Raketenabwehr betagte Patriot-Waffen aus Deutschland wünscht

Von Charles A. Landsmann

und Martin Gehlen

Israel hat seine historisch bedingten Vorbehalte gegen deutsche Rüstungsgüter abgelegt. Das Verteidigungsministerium in Tel Aviv bat die Bundesregierung um die Bereitstellung von Luftabwehrraketen des Typs Patriot. Außerdem überlegt die israelische Armee, für den Einsatz in den palästinensischen Gebieten Mercedes-Geländefahrzeuge zu kaufen.

Patriot-Raketen aus Deutschland sollen ab Januar in Israel stationiert werden. Zum einen handelt es sich wohl um in Deutschland eingelagerte amerikanische Waffensysteme des verbesserten Typs Patriot-Pac 2, die nach einem seit längerem geplanten israelisch-amerikanischen Großmanöver zu Jahresbeginn 2003 im Land bleiben werden. Zum anderen bat Israel die Bundesregierung um die bereits 1989 angeschaffte Raketen aus deutschen Beständen, nachdem Deutschland angedeutet habe, dass es ein „Überangebot“ dieser Luftabwehrwaffen besitze.

Wie die Sprecherin des israelischen Verteidigungsministeriums, Rachel Naidek Ashkenazi, erläuterte, sei eine entsprechende israelische Anfrage an Deutschland bereits „vor über einem Jahr“ erfolgt. Der israelische Repräsentant habe sie lediglich vor etwa einer Woche dem deutschen Verteidigungsministerium gegenüber wiederholt. Bereits im Golfkrieg 1991 hatte die Regierung von Helmut Kohl (CDU) Israel Patriot-Raketen zur Verfügung gestellt.

Diese Waffensysteme – auch die seit 1995 gebaute Pac-2-Version – sind jedoch nach Ansicht von Experten, wie dem in Boston lehrenden Ballistik-Experten Theodore Postol, kaum in der Lage, wirksamen Schutz gegen die Scuds aus dem Irak zu bieten. Wie ein Untersuchungsausschuss des US-Kongresses ermittelte, gelang es während des Golfkrieges 1991 den Patriots in keinem einzigen Falle, eine der 39 von Saddam Hussein auf Israel abgefeuerten Scuds zu treffen. Die psychologische Wirkung der Patriots sei damals zwar groß gewesen, aber die militärische Wirkung gleich Null, sagte Postol.

Denn Saddams Raketen, die noch aus der alten Sowjetunion stammen, sind keine modernen Waffen. Sie neigen dazu, beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ins Trudeln zu geraten und in mehrere Teile zu zerbrechen. Die Patriots verfehlten ihr Ziel, folgten den Scud-Teilen bis zum Boden und richteten selbst zusätzliche Zerstörungen an. In Israel waren die Schäden in den Städten durch den Einsatz der Raketenabwehr am Ende größer als ohne Raketenabwehr.

Dennoch setzt Israel weiterhin auf Patriot-Raketen und begann vor zwei Monaten, das noch in der Erprobung befindliche nagelneue Pac-3-System im Land zu installieren – in der Gegend von Haifa, in Zentralisrael nahe der Stadt Gedera und im Süden des Landes bei der Stadt Eilat. Daneben verfügt das Land inzwischen auch über eine eigene Raketenabwehr, das zusammen mit den Vereinigten Staaten entwickelte Arrows-System. Diese Raketen treffen offenbar besser. Denn sie greifen einfliegende Scuds schon früher an, wenn diese noch ohne zu Trudeln oberhalb der Atmosphäre fliegen.

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