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Public-Private-Partnership: SPD-Kritik an Gabriels Werben um Privatinvestoren

SPD-Chef Gabriel will die Infrastruktur stärker durch Privatkonzerne finanzieren lassen. Doch damit stößt er auf Protest in den eigenen Reihen.

Mit der Forderung, Lebensversicherungskonzerne stärker an der Finanzierung öffentlicher Infrastruktur zu beteiligen, hat sich SPD-Chef Sigmar Gabriel Kritik aus den eigenen Reihen zugezogen. Es passe nicht zusammen, „erst die staatlichen Handlungsmöglichkeiten durch Steuersenkungen schwächen und dann öffentliche Aufgaben wegen fehlender Mittel privat finanzieren zu wollen“, sagte der SPD-Abgeordnete Swen Schulz dem Tagesspiegel. Diese Strategie müsse in der Bundestagsfraktion und auch auf einem Parteitag diskutiert werden.

Verärgert die Genossen: SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Verärgert die Genossen: SPD-Chef Sigmar Gabriel.

© dpa

Vor kurzem erst hatte Gabriel erklärt, dass er – wegen der staatlichen Minderausgaben und Mehreinnahmen durch den Mindestlohn – Spielraum für den Abbau der kalten Progression sehe. Damit wird das Phänomen bezeichnet, dass Arbeitnehmer nach Gehaltserhöhungen wegen des progressiven Steuertarifs weniger im Geldbeutel haben als vorher. Danach hatte der SPD-Vorsitzende jedoch geklagt, dass der Staat nicht genug Geld zur Verfügung habe, um die öffentliche Infrastruktur zu verbessern – und im gleichen Atemzug für stärkere Inanspruchnahme von Privatinvestoren geworben.

"Dringend über neue Modelle reden"

Die gegenwärtige Infrastrukturlücke lasse sich „mit Sicherheit nicht mehr durch ein staatliches Finanzierungsprogramm“ schließen, sagte Gabriel der „Märkischen Allgemeinen“. Man müsse „dringend über neue Modelle reden, wie wir privates Kapital mobilisieren können, um die öffentliche Infrastruktur zu verbessern“. Gut vorstellbar sei für ihn, „dass wir Lebensversicherungskonzernen attraktive Angebote machen, sich an der Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur zu beteiligen“. Diese suchten schließlich angesichts des niedrigen Zinsniveaus nach Anlagemöglichkeiten.

Als Haushälter halte er solche Forderungen für „nicht stimmig“, sagte Schulz. Man gerate damit politisch auf eine falsche Spur. Zudem seien die Erfahrungen mit Public-Private-Partnership-Programmen höchst problematisch. „Die machen das ja nicht, weil sie so gemeinwohlinteressiert sind, sondern weil sie daraus Gewinne ziehen wollen“, sagte Schulz. So habe sich nach der Übertragung bestimmter Straßenbaumaßnahmen an Private gezeigt, dass Sicherheitserfordernisse nicht genügend berücksichtigt wurden.

CSU: Keine Spielräume für Steuersenkungen

In der Union signalisieren führende Politiker unterdessen immer stärker, dass es in dieser Legislatur zu keinem Abbau der kalten Progression kommen wird. Nach Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sagte nun auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt dem Tagesspiegel, dass sie, da sich die Rahmenbedingungen nicht geändert hätten, „keine Spielräume für Steuersenkungen und damit auch nicht für einen Abbau der kalten Progression“ sehe. Das Ziel sei es, „ab 2015 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden zu erreichen, denn damit sichern wir uns den notwendigen Gestaltungsspielraum für die Zukunft.“

Grünen-Chefin Simone Peter nannte es „absurd, angesichts von Schuldenbremse und Investitionsstau über Steuersenkungen auf Pump zu diskutieren“. Vom Abbau der kalten Progression profitierten „hauptsächlich Gutverdiener auf Kosten der Allgemeinheit“, sagte sie dieser Zeitung. Wer Gering- und Durchschnittsverdiener spürbar entlasten wolle, müsse die Sozialbeiträge senken statt sie weiter zu erhöhen. Gleichzeitig kritisierte Peter, dass die große Koalition „keinen Fahrplan“ habe, wie sie „in den kommenden Jahren die Last einer öffentlichen Verschuldung von zwei Billionen Euro beseitigen und dringend nötige Investitionen in Verkehrswege, Bildung und Gebäudesanierung gewährleisten will“.

Laumann sieht "krasse Ungerechtigkeit"

Der Sozialflügel der Union dagegen drängt weiter auf Entlastungen. „Auch ich bin dafür, dass wir uns nicht weiter verschulden“, sagte der Chef der Christlich- Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl- Josef Laumann. Die Union müsse jetzt aber klar sagen, dass der Abbau der kalten Progression für sie Priorität habe, „sobald ohne Neuverschuldung finanzieller Spielraum da ist“. Schließlich, so Laumann, rede man „über eine krasse Ungerechtigkeit im Steuersystem, die vielen fleißigen Beschäftigten ihr Lohnplus aus der Tasche zieht“. Gerade Geringverdiener litten darunter. „Das ist keine Kleinigkeit, sondern ein ernstes politisches Problem, das man schnellstmöglich anpacken muss.“

Linken-Chef Bernd Riexinger nannte es ein „Unding, dass die große Koalition nicht die Gunst der Stunde nutzt und eine überfällige Steuerreform anpackt“. Es brauche eine „Entlastung der arbeitenden Mitte, die durch höhere Steuern für Reiche ausgeglichen wird“, sagte er dem Tagesspiegel. Doch Angela Merkels Wappen sei "der fliehende Hase".

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