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Politik: Pulverfass Libanon

Saudi-Arabiens König Abdullah und Syriens Staatschef Assad eilen wegen des Hariri-Tribunals nach Beirut

Das Einzige, was dieses Jahr im Libanon gut läuft, ist der Tourismus. Politisch dagegen ziehen dunkle Wolken auf: Vier Jahre nach dem letzten Krieg gegen Israel im Juli 2006 wächst in der Bevölkerung die Angst vor einem neuen Waffengang, aber auch vor einem Rückfall in inneres Chaos und Bürgerkrieg. Seit vor einer Woche Hassan Nasrallah via Video vor der Presse im Süden Beiruts erschien, herrscht im Land und in der Region hektische Diplomatie. Denn der Hisbollah-Chef kündigte nicht nur an, einige „undisziplinierte Mitglieder“ seiner Organisation würden von dem „Sondertribunal für den Libanon“ des Mordes an Ex-Premier Rafik Hariri bezichtigt. Auch nannte er den Gerichtshof in Den Haag eine „israelische Verschwörung“ und ließ keinen Zweifel daran, dass sich Hisbollah zu wehren wisse. Was genau er damit meinte, sagte er nicht. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak stellte postwendend klar, falls Nasrallah Tel Aviv mit Raketen angreifen wolle, werde man als Vergeltung jede Einrichtung des libanesischen Staates als „legitimes Ziel“ ansehen.

Hastig rief daraufhin Libanons Präsident Michel Sleiman die arabischen Schutzpatrone seines Landes am Freitag zu einem ungewöhnlichen Minigipfel in seinen Baabda-Palast. Aus Damaskus traf Bashar Assad ein – zum ersten Mal seit dem Hariri-Mord betrat der syrische Staatschef wieder libanesischen Boden. Zusammen mit dem Iran gilt er als Hauptsponsor der radikalen Hisbollah und stand lange selbst im Blickfeld der UN-Fahnder. Mit ihm aus dem Flugzeug stieg der 86-jährige König Abdullah, der erste Besuch eines saudischen Monarchen in Beirut seit mehr als fünfzig Jahren. Seine Verbindungen zu dem ermordeten Rafik Hariri waren besonders eng. Der Ermordete hatte lange in Saudi-Arabien gelebt, wo er den Großteil seines Milliardenvermögens erwirtschaftete. Und so will der besorgte Abdullah mäßigend auf die sunnitische Bevölkerung einwirken und gleichzeitig Präsident Assad drängen, das Gleiche bei der Hisbollah zu tun. Zuletzt war Libanon im Mai 2008 an den Rand eines Bürgerkrieges geraten, als die sunnitisch geführte Regierung versuchte, das spezielle Telefonnetz der Hisbollah abzuschaffen. Damals starben bei Straßenkämpfen mehr als hundert Menschen, bis es dem Golfstaat Qatar gelang, einen Waffenstillstand zu vermitteln. Dessen Emir Hamad bin Chalifa al Thani landete am Freitagabend ebenfalls in der libanesischen Hauptstadt, die den ganzen Tag einen ungewohnten Anblick bot. Straßen und Plätze waren mit syrischen und saudischen Flaggen geschmückt. Hubschrauber kreisten am Himmel, während sich die Staatsgäste hinter verschlossenen Türen drei Stunden lang mit Premier Saad Hariri und seinem gesamten Kabinett trafen, dem auch zwei Hisbollah-Minister angehören.

In der Runde zur Sprache kommen dürfte auch die gefährliche Eskalation im Süden des Libanon. Israel wirft der Hisbollah vor, in hundert Dörfern nahe der Grenze 40 000 Kurz- und Mittelstreckenraketen stationiert zu haben – dreimal mehr als vor dem Krieg 2006. Syrien soll die schiitischen Kämpfer sogar mit Scud-Raketen beliefert haben, heißt es in Tel Aviv, ein Vorwurf, den Damaskus energisch bestreitet. Zwischen Patrouillen der 12 000 UN-Blauhelme, die diesen Waffenschmuggel eigentlich unterbinden sollen, und lokalen schiitischen Bewohnern kam es sogar zu regelrechten Scharmützeln. Als Reaktion stockte Beirut jüngst die libanesische Armee um ein Drittel auf 10 000 Mann auf. Und deren Soldaten schießen immer häufiger auf israelische Kampfflugzeuge, die beinahe täglich den Luftraum des Zedernstaates verletzen.

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