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Alexej Nawalny, während einer Gerichtsverhandlung per Video aus einem Gefängnis zugeschaltet (Archivbild vom Dezember 2021)

© dpa/AP/Evgeny Feldman/Meduza

Update

„Putin hat Angst vor der Wahrheit“: Nawalny wegen angeblichen Betrugs zu neun Jahren Straflager verurteilt

Der Kreml-Kritiker muss die neuerliche Strafe unter besonders harten Haftbedingungen verbüßen. Seine Anwälte wurden am Dienstag kurzzeitig festgenommen.

In einem weiteren umstrittenen Prozess gegen den inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat ein russisches Gericht den 45-Jährigen zu neun Jahren Straflager mit besonders harten Haftbedingungen verurteilt.

In dem als politische Inszenierung kritisierten Verfahren sprach die Richterin den bekanntesten Gegner von Präsident Wladimir Putin am Dienstag laut Nachrichtenagentur Interfax unter anderem wegen Betrugs schuldig. Nawalnys Anwälte hatten Freispruch gefordert.

Nawalny habe sich auf dem „Weg der Täuschung und des Missbrauchs von Vertrauen das Vermögen von Fremden“ erschlichen, so die Richterin Margarita Kotowa. Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre Haft beantragt. Nawalnys Anwälte forderten Freispruch.

Verantworten musste sich der zweifache Familienvater diesmal wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern für seine inzwischen in Russland verbotene Anti-Korruptionsstiftung und wegen Beleidigung einer Richterin in einem früheren Verfahren. Nach Angaben seines Teams hatten ihm bis zu 15 Jahre Haft gedroht.

Nawalny kündigte nach dem Urteil an, seinen politischen Kampf gegen die Regierung Putins fortzusetzen. „Putin hat Angst vor der Wahrheit, das habe ich immer gesagt“, erklärte Nawalny am Dienstag auf der Online-Plattform Instagram. „Der Kampf gegen die Zensur und dafür, den Bewohnern Russlands die Wahrheit zu bringen, bleibt unsere Priorität.“

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Nawalnys Anwälte waren am Dienstag kurzzeitig in Polizeigewahrsam genommen worden. Olga Michajlowa und Wadim Kobsew seien in der Nähe des Straflagers in einen Polizeibus gesteckt und weggebracht worden, schrieb Nawalnys Team am Dienstag bei Twitter. Die beiden Juristen hatten nach dem Urteilsspruch zunächst noch Interviews gegeben.

Die kremlkritische Zeitung „Nowaja Gaseta“ veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie Michajlowa von zwei Polizisten abgeführt wird - begleitet von Kameras. Der Agentur Interfax zufolge hatte zuvor ein Beamter dazu aufgerufen, sie wegen „Störung der Arbeit der Justizvollzugsanstalt“ vom Gelände zu bringen. Die beiden Anwälte kamen der Interfax zufolge wenig später wieder auf freien Fuß.

Nawalnys Frau Julia: „Wir werden auch diese Aufgabe meistern“

Nawalnys Frau Julia stärkte ihm den Rücken. „Wir sind bereits mehr als 20 Jahre zusammen, und Jahr für Jahr lernen wir, gute Eltern und gute Ehepartner zu sein“, schrieb Julia Nawalnaja am Dienstag auf ihrer Instagram-Seite. „Und wenn wir durchgehend Druck standhalten müssen, dann werden wir auch diese Aufgabe meistern.“

Dazu postete Nawalnaja ein Foto, das sie, Alexej und die beiden gemeinsamen Kinder Darja und Sachar zeigt. „Ich liebe dich, mein teuerster Mensch auf dieser Welt“, beendete die 45-Jährige ihren Beitrag. „Und bereits seit vielen, vielen Jahren höre ich nicht auf, stolz auf dich zu sein.“

Der Putin-Gegner verbüßt eine mehrjährige Haftstrafe in einem Straflager in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau. Dort wurde auch der Prozess abgehalten. Nawalny und seine Anwälte weisen die Vorwürfe wegen angeblichen Betrugs zurück.

Schon vor der Urteilsverkündung sprach Nawalnys Team von einem neuen Beweis für die Justizwillkür in Russland. „Wir haben gesagt, dass Putin Nawalny für immer im Gefängnis halten will“, sagte die Sprecherin des Oppositionellen, Kira Jarmysch. Nawalny ist der schärfste Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

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Jarmysch meinte, Putin räche sich an Nawalny, „nachdem es ihm nicht gelungen ist, ihn zu töten“. Der Kremlgegner hatte einen Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok im August 2020 nur knapp überlebt. Der Präsident wies eine Beteiligung zurück. Die EU hatte wegen des Attentats Sanktionen gegen Russland verhängt.

Nawalny war nach seiner Genesung in Deutschland, wo ihn die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Charité in Berlin besucht hatte, vor gut einem Jahr nach Russland zurückgekehrt. Er wurde am 17. Januar 2021 am Flughafen in Moskau festgenommen, weil er gegen Auflagen in einem anderen Strafverfahren während seiner Genesung verstoßen haben soll.

Nawalny hatte in der vergangenen Woche sein Schlusswort in dem Prozess, das bei der Übertragung laut Jarmysch durch technische Pannen teils nicht zu hören war, für Kritik an Putins Krieg gegen die Ukraine genutzt. „Kämpfen gegen den Krieg bedeutet Kämpfen gegen den Despotismus. (.) Das bedeutet gegen Putin kämpfen“, sagte Nawalny. „Jetzt verstehen wir, dass an der Macht nicht nur böse, raffgierige und dumme Menschen sind, sondern auch noch wahnsinnige.“ (AFP, dpa)

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