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Politik: Putin in Berlin: Russland-Experte Klaus Segbers zu Moskaus Kurs gegenüber Berlin (Interview)

Klaus Segbers ist Professor für Politikwissenschaft. Der Russland-Experte lehrt am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin.

Klaus Segbers ist Professor für Politikwissenschaft. Der Russland-Experte lehrt am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin.

Deutschland wurde von Russland in den vergangenen zehn Jahren als Anwalt und Vermittler in Europa gesehen. Seit dem Regierungswechsel in Berlin und dem Kosovo-Krieg hat sich das Verhältnis abgekühlt. Welche außenpolitische Strategie verfolgt Russland gegenüber Deutschland, um das Verhältnis zu verbesssern?

Grundsätzlich kann man nicht davon ausgehen, dass es eine einheitliche russische Position gibt. Weder die alte noch die neue Präsidial-Administration und weder die alte noch die neue Regierung sind in sich geschlossen, und zudem auch nicht besonders an Außenpolitik interessiert. Es gibt nur zwei oder drei außenpolitische Faktoren, die insofern wichtig sind, als sie möglicherweise Auswirkungen haben auf die innenpolitische Konstellation. Ein Punkt ist der WTO-Beitritt, ein zweiter die EU-Erweiterung, weil diese eine Bedeutung für die russische Exklave Königsberg/Kaliningrad hat. Ein dritter Aspekt ist die Frage der möglichen Stationierung einer National Missile Defense (NMD) in den USA. Bei diesem letzten Punkt wird interessanterweise in Moskau ähnlich argumentiert wie in Berlin und Brüssel.

Putin hat ja auch schon versucht, diesen Punkt zu nutzen, um einen Keil zwischen Europa und die USA zu treiben. Wird er das in Berlin fortsetzen?

Es mag einzelne geben, die diese Überlegung anstellen. Das Problem mit der Vorstellung von dem Keil ist nur, dass es ja auch in den USA viele wichtige Gruppen gibt, die gegenüber NMD sehr skeptisch sind. Die Frage ist, ob es Westeuropa und Russland gelingen wird, entweder sich in kooperative Lösungen einbeziehen zu lassen oder aber alternative Lösung zu finden, die nicht so resourcenbeanspruchend sind.

Wie verhält es sich mit Tschetschenien?

Deutlich gesagt: Auch die Tschetschenien-Frage ist von wenig Substanz. Sowohl die russische als auch die deutsche Seite sagen es nicht, wissen aber, dass es unvernünftig wäre, den Zusammenhalt der Russischen Föderation ernsthaft zur Disposition zu stellen. Und beide Seiten, wenn sie ehrlich sind, wissen auch, dass die übliche westliche Ausland-Antwort: "Die sollen doch verhandeln" bei Lichte besehen zu nicht viel führt, solange man nicht genau angeben kann, wer da mit wem über was verhandeln soll.

Sehen Sie denn auf deutscher Seite ein außenpolitisches Konzept für den längerfristigen strategischen Umgang mit Russland?

Nicht wirklich. Ich sehe ein bisschen mehr als bei der Vorgängerregierung Kohl die Bereitschaft, dass die bilateralen Beziehungen nicht nur zwischenstaatliche Beziehungen sind, sondern dass das auch eine starke gesellschaftliche Komponente hat. Die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland werden ja sehr positiv beeinflusst von Städtepartnerschaften, von dem Austausch zwischen Bundesländern und russischen Regionen, zwischen Berufsverbänden. Außerdem ist die Regierung Schröderbemüht um die Enthistorisierung dieser Beziehungen.

Inwieweit hat sich denn auf der russischen Seite seit der Wahl Putins im Vergleich zur Jelzin-Ära etwas verändert?

Das einzige, was man sicher sagen kann: Es gibt eine Neigung, Außenpolitik zu verstehen als Teil der innenpolitischen Agenden. Dadurch wird alles pragmatischer und weniger emotional gehandhabt als unter Jelzin. Es gibt gute Ansätze zu spekulieren, dass Putin eine Affinität haben könnte zu dem Land, in dem er lange gelebt hat und dessen Sprache er gut spricht. Aber ich glaube nicht, dass man daraus irgendwelche neuen besonderen Beziehungen ableiten sollte.

Deutschland wurde von Russland in den vergangenen

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