zum Hauptinhalt
Nackter Protest: Drei Aktivistinnen protestierten auf der Hannover-Messe gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin – der sagte später, die Aktion habe ihm gefallen. Foto: Jochen Lübke/dpa

© dpa

Putin zu Besuch in Hannover: Deutsch-russische Störung

Kanzlerin Merkel kritisiert Moskaus Vorgehen gegen Stiftungen in Russland – gleichzeitig protestieren Aktivistinnen mit nackten Tatsachen gegen Putin, dem gefällt's.

Am Ende gaben der russische Präsident Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel die Differenzen offen zu: In der Frage des Umgangs mit der Zivilgesellschaft gebe es „Unterschiede“, sagte Putin am Montag in Hannover zum Abschluss seines Deutschlandbesuchs. Die Kanzlerin wiederum hatte bereits bei der Eröffnung der Hannover-Messe am Sonntagabend nicht nur über Wirtschaftsthemen gesprochen, sondern auch mahnende Worte an ihren russischen Gast gerichtet: Die Nichtregierungsorganisationen in Russland müssten „eine gute Chance haben“. Dieses Thema kam auch beim Abendessen von Merkel und Putin im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung in Hannover zur Sprache. „Es geht darum, so habe ich es für uns deutlich gemacht, dass die NGOs gut und frei arbeiten können“, sagte die Kanzlerin am Montag.

In Russland werden seit Wochen hunderte Nichtregierungsorganisationen im ganzen Land von den Behörden kontrolliert. Bereits im vergangenen Jahr war ein Gesetz verabschiedet worden, das Nichtregierungsorganisationen, die auch Geld aus dem Ausland erhalten, verpflichtet, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren. Auch zwei deutsche Stiftungen waren von den Kontrollen betroffen, bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in St. Petersburg wurden sogar alle Computer beschlagnahmt. Die Kanzlerin sagte dazu nach ihrem Treffen mit Putin: „Natürlich ist es eine Störung und ein Eingriff, wenn Festplatten kontrolliert werden.“ Sie habe im Gespräch mit Putin deutlich gemacht, dass eine lebendige Zivilgesellschaft entstehen kann, wenn die Einzelnen „ohne Angst und Sorge arbeiten können, natürlich auf Grundlage der Gesetze“.

Zugleich betonten Merkel und Putin, dass sie die Beziehungen zwischen beiden Ländern vertiefen wollten. „Russland ist für Deutschland ein wichtiger strategischer Partner. Wir haben intensivste Kontakte, die wir fortsetzen wollen“, sagte die Kanzlerin. Putin versicherte, die Tätigkeit deutscher Organisationen auf russischem Territorium werde nicht eingeschränkt.

Der russische Präsident wiederholte am Montag seinen bereits in einem ARD-Interview geäußerten Vorwurf, russische Nichtregierungsorganisationen hätten innerhalb von vier Monaten eine Milliarde Dollar aus dem Ausland erhalten. Die Bürger hätten ein Recht darauf, zu erfahren, woher das Geld stamme. Mit den Kontrollen gingen die Behörden der Frage der Finanzierung nach.

Das russische Staatsfernsehen erhob in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen westliche Botschaften in Moskau: Über diese seien Fördergelder für die russische Zivilgesellschaft geflossen, was ein grober Verstoß gegen die Wiener Konvention sei, die diplomatischen Vertretungen untersagt, sich in innere Angelegenheiten ihrer Gastländer einzumischen. Namentlich genannt wurde dabei auch die deutsche Botschaft. Sie soll das „Zentrum zum Schutz der Menschenrechte“ in Tschetschenien finanziell unterstützt haben. Was, so fragte der Moderator rein rhetorisch, würde wohl in Berlin passieren, wenn Moskau beispielsweise ein Zentrum zum Schutz der Menschenrechte in Bayern bezuschussen würde?

Ein Abgeordneter der Kreml-Partei „Einiges Russland“ plädierte unterdessen dafür, dass der russische Staat die Möglichkeit bekommen solle, das Vermögen nichtstaatlicher Organisationen zu beschlagnahmen, die ihre Finanzierung nicht offenlegen. Er werde entsprechende Gesetzesänderungen einbringen, erklärte der Abgeordnete Michail Starschinow gleich nach dem Interview, das Putin der ARD gab.

Während des Rundgangs von Merkel und Putin auf der Hannover-Messe am Montagmorgen gab es unterdessen einen Zwischenfall: Drei barbusige Demonstrantinnen beschimpften Putin als Diktator. „Wir sind ein freies Land und man kann demonstrieren“, sagte Merkel. „Ob man in Deutschland zu einer solchen Notmaßnahme greifen muss, daran habe ich meine Zweifel.“ Konsequenzen würden geprüft. Ihm habe die Aktion der Frauen „gefallen“, sagte der russische Präsident. Was sie gerufen hätten, habe er nicht gehört. „Ich sehe darin nichts Schreckliches. Aber wenn man eine politische Diskussion will, müsste das auch angekleidet gehen.“ Ein Sprecher des russischen Präsidialamtes hatte die Aktion zuvor als Rowdytum bezeichnet. Die Verantwortlichen müssten bestraft werden. (mit rtr)

Zur Startseite