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Politik: Putins Problem

Der Hubschrauberabsturz bei Grosny zeigt die Erfolglosigkeit des russischen Feldzugs in Tschetschenien

Von Elke Windisch, Moskau

Am Donnerstag herrscht in Russland Staatstrauer: Insgesamt 115 Menschenleben forderte der Absturz eines Militärhubschraubers bei Grosny am Montagabend. Nie sind in dem seit fast drei Jahre währenden Tschetschenienkrieg auf einen Schlag so viele russische Soldaten umgekommen. Moskauer Medien ziehen daher Parallelen zwischen dem Absturz und dem Untergang des Atom- U-Bootes „Kursk“ im August 2000. Dazu trägt nicht nur die fast identische Anzahl der Opfer, sondern auch die Geheimniskrämerei der Militärs in beiden Fällen bei.

Von der in Tschetschenien stationierten Armeegruppe waren lange weder verlässliche Informationen über die Anzahl der Hubschrauber-Insassen noch über die der Opfer zu erfahren. Ordnung in das Chaos der widersprüchlichen Darstellungen brachte erst am Dienstag Verteidigungsminister Sergej Iwanow. Nur fünf Minuten, nachdem er am Unglücksort eingetroffen war, präsentierte er die genauen nslisten der Toten und der Passagiere – insgesamt 147, darunter zwei Ärztinnen und ein Kind. Ein Wunder sei geschehen, mokierte sich daraufhin die russische Zeitung „Iswestija“.

Nach Iwanows Ankunft gelang es außerdem in atemberaubendem Tempo, die vermutliche Absturz-Ursache zu identifizieren - Teile einer mobilen Raketen-Abschussanlage des Typs „Strela“. Diese hatte Mairbek Watschagajew, ein Vertreter von Tschetschenenpräsident Aslan Maschadow, schon am Montagabend erwähnt, als sich die Separatisten bei Radio „Echo Moskwy“ zu dem Anschlag bekannten. Dennoch hatten die Militärs bis zu Iwanows Eintreffen weiter auf „Motorschaden“ und „Überfrachtung“ beharrt. Vermutlich auch deshalb, weil viele Opfer nicht durch den Absturz selbst starben, sondern als sie beim Aussteigen auf Minen traten. Diese waren zum Schutz der größten russischen Truppenbasis in Tschetschenien gelegt worden – Chankala, das bislang als der mit Abstand sicherste Ort in der Republik galt. Dass der Helikopter knapp 300 Meter entfernt abgeschossen wurde, sagt einiges über den Erfolg des fast dreijährigen Krieges, der offiziell noch immer als „Anti-Terror-Operation“ bezeichnet wird.

Wenn man dieser Logik folge, höhnte Russlands Ex-Parlamentschef Ruslan Chasbulatow, müssten auch die Schlachten des Zweiten Weltkrieges als Strafexpeditionen eingeordnet werden. Der Tschetschenien-Konflikt müsse so beendet werden wie alle Kriege - mit Friedensverhandlungen, wie sie Präsident Maschadow Ende vergangener Woche erneut angeboten hatte. Doch Moskau ist davon weit entfernt. Die neue tschetschenische Verfassung, die im Oktober per Referendum verabschiedet werden soll, diktierten Rechtsexperten des Kreml der von ihnen eingesetzten tschetschenischen Verwaltung, die beim Volk wenig populär ist. Auch die für Mai geplanten Wahlen finden de facto ohne Alternative statt: Die Separatisten sind nach offizieller Sprachregelung „ungesetzliche bewaffnete Banden“ .

Bemühungen, „arbeitsfähige Organe der Staatsmacht“ zu installieren, sind so zum Scheitern verurteilt. Doch an diese Bedingung hat Moskau den Abzug seiner Truppen gekoppelt, deren Willkür die Zivilbevölkerung immer wieder aufbringt. Der Krieg in Tschetschenien könnte so für Putin zum Stolperstein bei seiner avisierten Wiederwahl in anderthalb Jahren werden und damit auch Reformen gefährden, die Russland dringend braucht.

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