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Politik: Putins Reform der Regionen: Die Provinzfürsten in Russland sollen sich selbst entmachten

Was Wladimir Putin Russlands Provinzfürsten zumutet, grenzt an Selbstverstümmelung: Heute sollen sie ein von der Duma am Freitag in zweiter Lesung behandeltes Gesetz bestätigen, das die Neuordnung des Senats - der russischen Länderkammer - regelt. Der Länderkammer gehören die Chefs und die Parlamentspräsidenten der insgesamt 89 Gebietseinheiten an.

Was Wladimir Putin Russlands Provinzfürsten zumutet, grenzt an Selbstverstümmelung: Heute sollen sie ein von der Duma am Freitag in zweiter Lesung behandeltes Gesetz bestätigen, das die Neuordnung des Senats - der russischen Länderkammer - regelt. Der Länderkammer gehören die Chefs und die Parlamentspräsidenten der insgesamt 89 Gebietseinheiten an. Das sind 21 Republiken, zehn autonome Kreise, ein autonomes Gebiet, sechs Regionen und 49 Gebiete sowie die Städte Moskau und St. Petersburg, die einen Sonderstatus haben - bisher per Automatismus. Künftig sollen die Provinzen je ein Vertreter des regionalen Parlaments und ein Bevollmächtigter des jeweiligen Exekutivchefs vertreten. Dessen Ernennung muss das Parlament jedoch bestätigen.

Die Vorlage ist Teil einer Großoffensive des Kremls, mit der Moskau jene Souveränitätsrechte wieder kassieren will, die Jelzin den Provinzfürsten Anfang der 90er Jahre zugestand. Mit "regulierter Demokratie" und "Straffung der vertikalen Machstruktur", wie sie Putin bei seiner Amtseinführung am 7. Mai als vordringliches Staatsziel formulierte, geht es der Zentralregierung vor allem um den Rückfluss der Steuern aus den Regionen, die Wiederherstellung der alleinigen Verfügungsgewalt über Rohstoffe und die Abwehr separatistischer Tendenzen.

Zwar ist zu erwarten, dass der Senat heute den Entwurf kippt. Praktisch ist das jedoch ohne Bedeutung. Laut Verfassung kann die Duma das Veto des Oberhauses mit qualifizierter Zweidrittelmehrheit von 300 Stimmen überwinden. Dass diese durchaus zu Stande kommen dürfte, zeigte das Abstimmungsergebnis vom Freitag: 308 Abgeordnete votierten für das Gesetz.

Damit, so Radikalreformer Boris Nemzow, einer der Ko-Vorsitzenden der "Union der rechten Kräfte", würde sich Russlands Oberhaus "in eine einzige große Fraktion" der Putin-nahen "Einheitspartei" verwandeln, die schon im Unterhaus den Ton angibt. Einschlägige Befürchtungen sind durchaus berechtigt: Die neuen Senatoren dürften beim Umzug nach Moskau, ähnlich wie die Kollegen aus der Duma, großes Interesse an Statussymbolen zeigen: Dienstwohnungen, Dienstwagen und Datschen. Die aber verteilt das Präsidentenamt. Angesichts dieser Sachzwänge fürchten Gebietschefs und Präsidenten der Teilrepubliken daher zu Recht um die Loyalität ihre Abgesandten.

Noch mehr fürchten sie allerdings den Verlust der parlamentarischen Immunität. Einige Gouverneure, so hatte Putins bevollmächtigter Vertreter in der Duma, Alexander Kotenkow schon Anfang Juni bei der Präsentation des Entwurfes gedroht, "werden wir sofort einlochen, andere etwas später." Ein Dementi Putins, auf das die Senatoren hofften, blieb bislang aus.

Der Widerstand der Provinzchefs dürfte sich dennoch in Grenzen halten: Die Neugliederung der Föderation in sieben Generalgouvernements, mit der Putin die Provinzfürsten weit gehend matt setzte, nahmen diese eher gottergeben hin. Der Grund: Die Mehrheit steht kurz vor dem Ende der zweiten Amtszeit und kann nicht wieder gewählt werden.

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