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Mursis Anhänger demonstrieren ungebrochen für eine Rückkehr ihres Präsidenten.

© dpa

Putsch in Ägypten: Junge Muslimbrüder fordern neue Führung

Beide Lager in Ägypten mobilisieren erneut ihre Anhänger. Intern wächst die Kritik am kompromisslosen Kurs der Muslimbruder-Führung, eine junge Bewegung verlangt die Absetzung der alten Führung. Inzwischen fordert Guido Westerwelle die Freilassung von Mohammed Mursi.

„Wir sind die Revolution", mindestens zwanzig Mal hintereinander schrie der Mann auf der Rednerbühne den Satz in das krächzende Mikrophon. In der Tat - es scheint alles gesagt in dem erbitterten ägyptischen Machtkampf zwischen Anhängern und Gegnern des letzte Woche von der Armee gestürzten Mohammed Mursi. Beide Lager reklamieren unermüdlich das Recht auf ihrer Seite. Die Muslimbrüder fühlen sich als die legitimen Wahlgewinner und wollen die Rückkehr des islamistischen Präsidenten an die Macht erzwingen. Die Allianz auf dem Tahrir-Platz, die seit dem Einschreiten der Streitkräfte eine Übergangsführung zusammenstellt, sieht sich als Retter der Ideale der Revolution und als eigentlicher Repräsentant des Volkswillens. Am Freitag strömten ihre Anhänger wieder in hellen Scharen zu dem berühmten Kreisverkehr, um dort zum Sonnenuntergang gemeinsam das Fastenbrechen im Ramadan zu feiern. Die Muslimbruderschaft konterte mit Hunderttausenden, die sich erneut um die Rabaa Adawiya-Moschee in Nasr City scharten.

Die junge Generation bloß Erfüllungsgehilfe?

Und genauso wie es den jungen Rebellen der „Tamarod“-Bewegung langsam dämmert, dass sie vielleicht nur von Drahtziehern des alten Mubarak-Regimes vor deren Machtkarren gespannt wurden, gärt es auch in den Reihen der jungen Islamisten. Zum ersten Mal begehrte der fromme Nachwuchs diese Woche offen gegen den harten Konfrontationskurs seiner Führung auf. „Anderen vor den Kopf stoßen, die fehlende Modernisierung des achtzig Jahre alten internen Verhaltenskodex sowie ein Mangel an jungen Führungskräften, das sind alles Schwächen, die den Sturz von Mursi mit verursacht haben“, bilanziert Ahmed Yahya, Sprecher der Dissidentengruppe „Muslimbrüder ohne Gewalt“, die sich am Tag nach dem Militärputsch gründete und zur Keimzelle einer Spaltung der islamistischen Organisation werden könnte.

Unterschriften sammeln für den Wandel

Wäre Mursi auf die Forderungen der Opposition nach einer Koalitionsregierung, nach vorgezogenen Neuwahlen für das Präsidentenamt oder einem Referendum eingegangen, hätte er Ägypten eine Menge Aufruhr erspart, sagen die jungen Kritiker. Im Visier haben sie vor allem den Murschid der Organisation, Mohammed Badie, und seinen Vize, den reichen Geschäftsmann Khairat el-Shater, beides strikte Hardliner. Und wie die Rebellenbewegung „Tamarod“ wollen auch die islamistischen Dissidenten jetzt Unterschriften sammeln, um den Rücktritt ihrer beiden Altvorderen zu erzwingen. „Wir annullieren vorübergehend unseren Schwur des blinden Gehorsams gegenüber dem Murschid, fordern eine neue reformbereite Spitze, die uns führt und den Verfall unseres Ansehens stoppt“, erklärte Ahmed Yahya. Das kompromisslose Agieren im letzten Jahr dagegen habe die Muslimbruderschaft an den Rand des Abgrunds geführt und zunichte gemacht, „was in acht Jahrzehnten historischer Anstrengung geleistet worden ist“.

Mursis Rückkehr ist nicht mehr so wichtig

Und so steht für die jungen Kritiker eine Rückkehr von Mohammed Mursi auf den Präsidentenstuhl im Gegensatz zu den Zehntausenden ihrer Mitdemonstranten nicht mehr im Zentrum. Sie plädieren dafür, die Muslimbruderschaft solle sich am nationalen Dialog und der Gestaltung der Übergangsphase konstruktiv beteiligen. Bedingung dafür sei die Freilassung Mursis, eine unparteiische Untersuchung des Blutbads am letzten Montag mit 53 Toten sowie ein Ende der Hatz auf führende Funktionäre – Forderungen, die am Freitag auch die Vereinigten Staaten und Deutschland erhoben.

Es dürfe keine politische Verfolgung geben, jeder Anschein von selektiver Justiz in Ägypten müsse vermieden werden, erklärte Außenminister Guido Westerwelle. „Eine Rückkehr zur Demokratie kann nur gelingen, wenn alle politischen Kräfte den demokratischen Transformationsprozess mitgestalten können.“

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