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Politik: Radargeschädigte: Messtechniker warnte Bundeswehr vor Strahlen-Gefahr

Im Streit um die Versorgung der durch erhöhte Röntgenstrahlung geschädigten früheren Radartechniker der Bundeswehr und deren Angehörige gibt es immer mehr Hinweise auf Versäumnisse des Verteidigungsministeriums. In internen Unterlagen des Ministeriums finden sich klare Einschätzungen über das Strahlen-Risiko, die bereits Mitte der 70er und Anfang der 80er Jahre erstellt worden sind.

Im Streit um die Versorgung der durch erhöhte Röntgenstrahlung geschädigten früheren Radartechniker der Bundeswehr und deren Angehörige gibt es immer mehr Hinweise auf Versäumnisse des Verteidigungsministeriums. In internen Unterlagen des Ministeriums finden sich klare Einschätzungen über das Strahlen-Risiko, die bereits Mitte der 70er und Anfang der 80er Jahre erstellt worden sind. Nach einer Notfalluntersuchung an Radar-Sendeanlagen des Typs SGR 103 bei der Marine warnte damals der Messingenieur Hans Billaudelle: "Aus strahlenschutztechnischen Gründen hätte eine sofortige Stillegung aller Radar-Sendeanlagen SGR 103 erfolgen müssen." Zum "Schutz von Leben und Gesundheit von Bundeswehrangehörigen" müssten unverzüglich Maßnahmen angeordnet werden. Die stark strahlenden Anlagen seien auf etwa 22 Schiffen und Booten installiert. Der Messingenieur schreibt weiter: "Es muss damit gerechnet werden, dass bei Personen infolge überhöhter Strahlendosen Spätschäden zu erwarten sind." Und er stellt fest, dass dringend erforderliche messtechnische Überprüfungen aller Anlagen mit gefährlicher Strahlung nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden, "da der Bundeswehr sowohl die personellen wie materiellen Voraussetzungen dafür fehlen".

Im Herbst 1981 wurde in einem internen Fernschreiben ("Nur für den Dienstgebrauch") zur Röntgen-Störstrahlung an Hawk-Batterien Stellung genommen. Darin heißt es: "In den Abschlussberichten der Strahlenmessstellen wurde festgestellt, dass das technische Personal der Hawk-Batterie einer unzulässig hohen Röntgenstrahlung ausgesetzt ist". Und noch im Sommer 1989 wird in Sachen Hawk gefordert, dass die Techniker beim Abtragen der radioaktiven Leuchtfarben von den Radarkonsolen entsprechend geschützt werden müssen. Ein Soldat, der mit der Erneuerung dieser Leuchtschriften beauftragt war, verstarb innerhalb von sechs Monaten, weil er nicht, wie später vorgeschrieben, "schweres Atemschutzgerät" getragen hatte.

Offiziell bestreitet das Verteidigungsministerium die Gefährdung. Auch der 1996 unter Verteidigungsminister Rühe (CDU) zuständige parlamentarische Staatssekretär Bernd Wilz behauptete: "Bei der Bundeswehr gibt es keine Arbeitsplätze, an denen Bundeswehrangehörige einer unzulässigen Strahlung ausgesetzt sind." Vor einem Monat hatte das Landesverwaltungsgericht Schleswig jedoch einem Kläger Recht gegeben; es warf der Bundeswehr "jahrelange Versäumnisse bei der Information über den Umfang der Röntgenstrahlung" vor und stellte unzulässig hohe Strahlung fest. Scharping hat gegen dieses Gerichtsurteil Berufung eingelegt.

Von 200 untersuchten Technikern sind mehr als 50 tot und mehr als 140 schwer erkrankt. Während das Ministerium von rund 400 Betroffenen ausgeht, rechnen Bundeswehrverband und der "Bund zur Unterstützung Radargeschädigter" mit 1000 verstrahlten Kameraden.

Claudia Lepping

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