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Politik: Radikale Parteien bei Wahl in Nordirland gestärkt Fachleute befürchten Rückschlag für den Friedensprozess

In der katholischen Minderheit Nordirlands wie unter Protestanten haben sich die Wähler am Mittwoch für schrillere Stimmen entschieden. Die Auszählung der nordirischen Parlamentswahl ist zwar am Donnerstagabend unterbrochen worden, aber die vorliegenden Teilresultate erlauben vorsichtige Schlüsse.

In der katholischen Minderheit Nordirlands wie unter Protestanten haben sich die Wähler am Mittwoch für schrillere Stimmen entschieden. Die Auszählung der nordirischen Parlamentswahl ist zwar am Donnerstagabend unterbrochen worden, aber die vorliegenden Teilresultate erlauben vorsichtige Schlüsse. Unter den beiden Parteien der katholisch-irischen Bevölkerungsminderheit findet ein Rollenwechsel statt: Die gemäßigte SDLP-Partei, die eigentliche „Erfinderin“ des Friedensprozesses, muss als Verliererin dieser Wahl betrachtet werden. Sie rückt mit 17 Prozent (minus fünf) der sogenannten Erststimmen ins zweite Glied, an ihrer Stelle wird die IRA-nahe Sinn-Fein-Partei mit mehr als 23 Prozent (plus sechs) zur mächtigsten Repräsentantin der Katholiken.

Wesentlich unklarer ist das Bild unter den zutiefst zerstrittenen Unionisten, der nordirischen Bevölkerungsmehrheit also, die den Verbleib Nordirlands im britischen Staatsverband befürwortet. Hier befehdeten sich die gemäßigte Ulster Unionist Party (UUP) des ehemaligen Chefministers David Trimble und die rabiate Democratic Unionist Party (DUP) des alternden Pfarrers Ian Paisley. Die DUP lehnt das Karfreitagsabkommen von 1998 ab. Die Wähler belohnten diese negative Einstellung, indem sie die DUP mit mehr als 25 Prozent der Erststimmen klar zur größten Partei Nordirlands machten. Aber im Gegensatz zum katholischen Lager, wo die Zugewinne des einen automatisch die Verluste des andern sind, absorbierte die DUP eine verwirrende Fülle von Splitterkandidaten, die 1998 als Gegner des Karfreitagsabkommens gewählt worden waren. Das macht die Opposition kompakter, aber nicht unbedingt größer. Denn auch Trimbles Partei legte etwas mehr als einen Prozentpunkt zu, vor allem auf Kosten kleinerer, gemäßigter Parteien. Die Wahlbeteiligung sank von 69 Prozent vor fünf Jahren auf wenig mehr als 60 Prozent.

Und da die Eiferer immer loyaler sind, litten die nachdenklicheren Kräfte übermäßig.

Die Gretchenfrage dieser Wahl ist indessen noch nicht beantwortet: Gelingt es Paisley und seinen selbstgerechten Anhängern, eine Sperrminorität im neuen Regionalparlament zu erringen, um den Friedensprozess zu sabotieren? Erst die Sitzverteilung am Freitag wird das schlüssig beantworten.

Die Neuwahl war notwendig geworden, weil Nordirland im Zusammenhang mit einer Lauschaffäre durch die Untergrundorganisation IRA im Oktober 2002 wieder unter britische Direktverwaltung gestellt worden war. Seitdem trat das Parlament nicht mehr zusammen. Die Wahlen sollen die Grundlage für eine Rückkehr zur Selbstverwaltung schaffen.

Martin Alioth

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