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Helmut Kohl im Jahr 1982 mit der damaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher.

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Update

Radikale Pläne des Alt-Bundeskanzlers: Altkanzler Kohl steht zu Äußerungen über Türken

Die britische Regierung hat ein bislang geheimes Gesprächsprotokoll von Helmut Kohl aus dem Jahr 1982 freigegeben. Demnach hatte der deutsche Bundeskanzler große Bedenken und radikale Pläne bezüglich der türkischen Migranten in Deutschland - zu denen er heute noch steht.

Von Michael Schmidt

Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat seine 30 Jahre alten Äußerungen zur Ausländerpolitik verteidigt. Seine Aussage, er wolle die Zahl der in Deutschland lebenden Türken halbieren, „war damals auch in Deutschland bereits Teil einer hinreichend und breit geführten Debatte zur Ausländerpolitik“, heißt es in einer am Freitag von seinem Berliner Büro verbreiteten Erklärung. „Spiegel Online“ hatte zuvor unter Berufung auf britische Geheimprotokolle berichtet, Kohl habe kurz nach seiner Amtsübernahme im Jahr 1982 die Hälfte der in Deutschland lebenden Türken nach Hause schicken wollen. In einem Gespräch mit der britischen Premierministerin Margaret Thatcher habe er gesagt, es sei unmöglich, die Türken in ihrer gegenwärtigen Zahl zu assimilieren.

Manches als vertraulich eingestufte Papier birgt wirklich erstaunliches Material – es eröffnet eine neue Perspektive, vervollständigt das Bild von einem Menschen, transportiert Aussagen, die man so noch nie gehört, nie gelesen, kaum für denkbar gehalten hat. Nach einem Papier der britischen Regierung soll Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) einst einen radikalen Plan entworfen haben: Er wollte, wie er der britischen Regierungschefin Margaret Thatcher bei ihrem Besuch im Oktober 1982 in Bonn anvertraut haben soll, die Hälfte der in Deutschland lebenden Türken loswerden.

Helmut Kohl: "Notwendig, die Zahl der Türken um 50 Prozent zu reduzieren"

Kohl wollte was? Pssst, nicht so laut: „Kanzler Kohl sagte, über die nächsten vier Jahre werde es notwendig sein, die Zahl der Türken um 50 Prozent zu reduzieren – aber er könne dies noch nicht öffentlich sagen“, soll es in dem geheimen Gesprächsprotokoll vom 28. Oktober 1982 heißen, aus dem der "Spiegel" zitiert. Und weiter: „Es sei unmöglich für Deutschland, die Türken in ihrer gegenwärtigen Zahl zu assimilieren.“ Nur vier Personen waren laut Protokoll damals im Raum: Kohl, sein langjähriger Berater Horst Teltschik, Thatcher und ihr Privatsekretär A. J. Coles, der Verfasser des Dokuments.

Tenor des Dokuments: "Die Türken kämen aus einer sehr andersartigen Kultur"

„Die Türken kämen aus einer sehr andersartigen Kultur. Deutschland habe 11 Millionen Deutsche aus osteuropäischen Ländern integriert. Aber diese seien Europäer und stellten daher kein Problem dar“, zitiert Protokollant Coles den Kanzler. Kohl ist gerade vier Wochen im Amt. Als Beispiele für das „Aufeinanderprallen zweier verschiedener Kulturen“ nennt er Zwangsehen und Schwarzarbeit der Türken. Jeder zweite von ihnen müsse daher gehen: „Er beabsichtige, die Sozialversicherungsbeiträge der türkischen Arbeiter zu kapitalisieren und ihnen eine Abfindung zu geben“, heißt es dazu im Protokoll. Für die Bleibenden sieht der Kanzler Schulungen vor: „Diejenigen, die integriert werden, müssten Deutsch lernen.“

Was Kohl der britischen Kollegin sagte, wurde dann auch Regierungsprogramm - wenn auch weit weniger radikal. 1983 beschloss die damalige schwarz-gelbe Koalition, allen arbeitslos gewordenen Türken eine Rückkehrprämie anzubieten. 10500 Mark sollte es geben, dazu die Auszahlung der Rentenbeiträge. Und für jedes Kind gab es noch einmal 1500 Mark dazu. Ähnliches hatte übrigens auch schon die sozialliberale Koalition in den Jahren davor erwogen. Das Angebot wurde auf ein Jahr befristet. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hätte es gern allen arbeitslosen Migranten zugesagt, aber dafür fehlte das Geld. Ein Erfolg war das Ganze am Ende nicht, weniger Türken als erwartet nutzten die Prämie. Verlängert wurde das Gesetz nicht mehr. Nach 1983 hat sich das gesellschaftliche Klima im Umgang mit „Gastarbeitern“, Ausländern, Migranten zudem erheblich gewandelt. Ein Wandel, den auch Kohl später nachvollzog. 1993 setzte er gegen innerparteiliche Widerstände durch, dass Ausländer der dritten Generation, die in Deutschland geboren waren, den deutschen Pass bekommen konnten.

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