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RAF-Debatte: Im Angesicht des Terrors

"Das Opfer und der Terrorist" - so lautete der Titel der Sendung, in der Michael Buback und Peter Jürgen Boock gemeinsam aufgetreten sind. Welche Bedeutung hat dieses Zusammentreffen? Von Frank Jansen

Berlin - Es war nur eine halbe Stunde, es war auch nicht live - und doch: Am Mittwochabend hat das Fernsehen des Norddeutschen Rundfunks die Geschichte des Terrorismus in der Bundesrepublik um ein historisches Dokument ergänzt. Erstmals trafen in der medialen Öffentlichkeit ein Täter der Roten Armee Fraktion und ein Angehöriger eines ermordeten Opfers aufeinander. Für die Zuschauer saß, vielleicht symbolisch platziert, ganz links Peter-Jürgen Boock, der unter anderem an der Entführung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer beteiligt war. Daneben, mit geringem räumlichen Abstand, war Michael Buback zu sehen. Und bald auch, wie er litt. Das nervöse Zucken im Gesicht des Sohnes von Siegfried Buback, dem im April 1977 mit zwei Begleitern erschossenen Generalbundesanwalt, die gepressten Worte, die abrupten Kopfbewegungen zu Boock hin und wieder weg - ergreifende Bilder. Der vom Terror verursachte Schmerz, er brennt selbst noch nach 30 Jahren. Auch Michael Buback ist lebenslang Opfer der RAF, obwohl ihn keine Schüsse trafen.

"Es ist so ein gravierendes und großes Verbrechen und ein so großer Verlust, dass wir es nicht hinnehmen können, dass man das pauschal von einem Team übernommen sieht", begründete Buback in der ARD-Sendung seine Suche nach dem Namen dieses einen Todesschützen, der damals in Karlsruhe vom Rücksitz eines Motorrads aus feuerte. Er müsse "schwierige und ungewöhnliche Wege gehen", um der Wahrheit näherzukommen, erklärte Buback seinen Gang in die Öffentlichkeit, bis hin zum gemeinsamen Fernsehauftritt mit einem Täter. Ob Buback da in den 30 Minuten viel erreicht hat, ist fraglich. Doch ihm gelang etwas ganz anderes, das für die aktuelle Debatte über die RAF, über Schuld und Gnade und über neue und alte Ermittlungen in den Hintergrund geraten war: Michael Buback brachte zumindest dem Fernsehpublikum die Opferperspektive nahe. Die in den vergangenen Wochen mehr und mehr auf die Täter fixierte Öffentlichkeit wurde an einen Maßstab des Umgangs mit den Folgen extremistischer Gewalt erinnert: Die Würde der toten Opfer, die Traumata der Verletzten und der Hinterbliebenen sind kein Randthema.

Peter-Jürgen Boock schien es begriffen zu haben. Auch wenn er medienerfahren und nicht ganz so angespannt wirkte wie Buback, zeigte das ehemalige RAF-Mitglied mehr als einstudiertes Mitgefühl. Es war wohl auch Selbsterkenntnis. "Es tut mir unendlich leid, was geschehen ist", sagte er, "allein ich weiß, ich kann es nicht rückgängig machen". Boock sprach über die tägliche innere Auseinandersetzung mit seiner Schuld - es klang, als kämpften zwei Personen in ihm, ein Ankläger und ein Angeklagter, der um Antworten ringt.

Zur Klärung der vielen Fragen im Mordfall Buback taugte die Sendung nicht. Boock konnte als Belege für seine Behauptung, statt Christian Klar sei Stefan Wisniewski der Schütze auf dem Motorrad gewesen, nur Gespräche nennen, die ein abgeschotteter RAF-Zirkel nach der Tat in einem Fluchtwinkel in Amsterdam führte. Mit Blick in die Kamera fragte Boock, warum ihn die RAF-Leute hätten belügen sollen? Außerdem sei Klar nicht "militärisch" ausgebildet worden. Mehr Plausibilität kam nicht.

Die Reaktionen auf die von NDR-Fernsehprogrammdirektor Volker Herres sensibel moderierte Diskussion - an der auch "Spiegel"-Chefredakteur Stefan Aust als RAF-Experte teilnahm - sind zwiespältig. Vor allem die Angehörigen anderer Opfer der RAF kritisierten Buback: Für sie sei der öffentliche Auftritt eines Opfers mit einem der Mörder "als gleichwertigem Gesprächspartner erschütternd und nicht nachvollziehbar", sagte Hergard Rohwedder, die Witwe des im April 1991 in Düsseldorf erschossenen Chefs der Treuhandanstalt, Detlev Karsten Rohwedder. ()

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