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RAF-Debatte: Merkel fordert Respekt vor Köhler

Das Treffen von Bundespräsident Horst Köhler mit Ex-Terrorist Christian Klar hat die Gemüter neu erhitzt. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber sieht darin eine übermäßige Fürsorge des Staates für Schwerstverbrecher.

Berlin - Christian Klars Gnadengesuch ist ein schwieriger Fall: Schon der Amtsvorgänger von Bundespräsident Horst Köhler, Johannes Rau, hatte die Akte des ehemaligen Top-Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) auf seinem Schreibtisch. Rau traf jedoch nie eine Entscheidung. Nun - 30 Jahre nach den brutalsten Verbrechen der RAF - hat sich Köhler selbst ein Ultimatum gesetzt. Am Freitag traf er Klar in Süddeutschland und ließ danach durch seinen Sprecher mitteilen: In dieser Woche wird die Entscheidung verkündet.

Köhler hat monatelang geprüft und mit Angehörigen der Opfer gesprochen. Nun bestimmt das Staatsoberhaupt, ob Klar nach mehr als 24 Jahren Haft vorzeitig entlassen wird. Der heute 54-jährige ehemalige Terrorist war 1985 zu fünf Mal lebenslang plus 15 Jahren Haft verurteilt worden - wegen gemeinschaftlich verübten Mordes an Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Generalbundesanwalt Siegfried Buback sowie deren Begleitern.

30. Jahrestag "Deutscher Herbst"

Acht Mal zuvor wurden ehemalige Terroristen durch Gnadenerlasse vorzeitig aus der Haft entlassen - meist ohne größeres öffentliches Aufsehen. Doch der Fall Klar erregt die Gemüter der Republik in besonderer Weise. Das mag daran liegen, dass der "Deutsche Herbst" von 1977 zum 30. Jahrestag allgegenwärtig ist - durch Rückblicke, Erinnerungen, Dokumentationen.

Ein Novum im Medienrummel um die ehemaligen RAF-Mitglieder war das Treffen von Michael Buback, Sohn des ermordeten Siegfried Buback, mit dem ehemaligen RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock vor laufenden Fernseh-Kameras. Der Buback-Sohn wollte bei der Suche nach dem Mörder seines Vaters auch "schwierige und ungewöhnliche Wege" gehen, stieß damit aber bei anderen Angehörigen von RAF-Opfern auf Ablehnung.

Angeheizt wird die Debatte über den Umgang mit den ehemaligen Staatsfeinden von den harschen Worten einiger FDP- und Unions-Politiker. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sieht im Treffen Köhlers mit Klar eine übermäßige Fürsorge des Staates für Schwerstverbrecher und Feinde der deutschen Demokratie. "Es könnte von manchen wie ein später Sieg der Terroristen gedeutet werden, wenn der Staat so tut, als wären RAF-Mörder die besseren Mörder." Der politische Druck auf das Staatsoberhaupt scheint gewaltig.

Lammert verteidigt Köhler

Zusätzlich beeinflussen könnten Köhler auch die seit Wochen anhaltenden Spekulationen über den genauen Tathergang bei der Ermordung Bubacks. Rechtlich gesehen können neue Erkenntnisse darüber die Beurteilung des Falls Klar jedoch nicht ändern. Bei einem gemeinschaftlich begangenen Mord kommt es aus Sicht der Justiz nicht darauf an, wer den Finger am Abzug der Schusswaffe hatte.

Schon bei der ersten Begnadigung eines RAF-Häftlings spielten solche Fragen eine Rolle. Der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hatte 1988 dem ehemaligen RAF-Mitglied Klaus Jünschke die Freiheit geschenkt. Fast 20 Jahre später sagte er zu seiner umstrittenen Entscheidung: "Ich habe sie gefällt, weil für mich von Anfang an die Prozesse gegen die Täter Prozesse gegen Mörder und nicht politische Prozesse waren."

Köhler ist kein Jurist. Welche Kriterien er bei seinem Ja oder Nein zu Klars Gnadengesuch anlegt, ist nicht bekannt. Doch Köhler hat mehrfach zu verstehen gegeben, dass er sich in seiner Entscheidung völlig frei fühlt und Druck von außen nicht akzeptiert. Unterstützung erhielt er von Bundestagspräsident Norbert Lammert und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU). Unisono forderten sie mehr Zurückhaltung in der öffentlichen Debatte und mehr Respekt vor dem Staatsoberhaupt. Lammert nannte die Annahme "absurd", Köhler könnte den Fall Klar nicht ernst genug nehmen. Merkel forderte dazu auf, "dass wir alle - gleichgültig, wie der Bundespräsident am Ende entscheiden wird - das Votum von Horst Köhler respektieren." Jetzt wartet Deutschland auf die Entscheidung des Präsidenten. Und der hat schon in der Vergangenheit mehrfach seinen eigenen Kopf bewiesen. (Von Stephanie Höppner, dpa)

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