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Badawis Ehefrau Ensaf Haidar kämpft von Kanada aus für die Freilassung des Bloggers.

© Cole Burston/dpa

Raif Badawi: Urteilsspruch gegen Blogger jährt sich zum ersten Mal

Vor genau einem Jahr ist der saudische Blogger Raif Badawi verurteilt worden - zu zehn Jahren Haft, 1000 Stockhieben und einer hohen Geldstrafe. Internationale Proteste haben Saudi-Arabien nicht umdenken lassen – im Gegenteil.

Folgende Worte konnte Raif Badawi aus dem Gefängnis in Saudi-Arabien schmuggeln: „Ich habe versucht, die Mauern der Unwissenheit niederzureißen, die Heiligkeit des Klerus zu brechen, ein wenig Pluralismus zu verbreiten und Respekt vor Werten wie Ausdrucksfreiheit, Frauenrechten und den Rechten von Minderheiten und Mittellosen in Saudi-Arabien.“ Dieser Brief aus der Haft bildet nun das Vorwort zu seinen kürzlich in Deutschland veröffentlichten Bloggertexten. Drei Jahre sitzt der 31-Jährige nun schon hinter Gittern, weil er in seinem Online-Forum „Saudische Liberale“ erzkonservative Kleriker und das Treiben der Religionspolizei kritisiert hatte. Vor genau einem Jahr wurde die Strafe noch einmal verschärft – auf zehn Jahre Haft, tausend Stockschläge und umgerechnet 200.000 Euro Geldbuße.

Seine Frau Ensaf Haidar, die mit den drei Kindern des Paares inzwischen in Kanada Asyl hat, forderte am Donnerstag erneut, ihren Mann zu begnadigen und sein Leiden zu beenden. Die ersten 50 Hiebe waren ihm am 9. Januar öffentlich in Dschidda verabreicht worden, ein grausiges Spektakel, von dem ein verwackeltes Handyvideo um die Welt ging. Kein anderer Fall eines verfolgten Menschenrechtlers in Saudi-Arabien hat bisher derartiges Aufsehen erregt, wie der des freigeistigen Bloggers. In vielen Hauptstädten wurden saudische Diplomaten einbestellt. Vor der saudischen Botschaft in Berlin forderten Demonstranten seine Freilassung. In Wien stand das umstrittene „König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ zeitweise vor der Schließung, weil es zu dem Fall Badawi keine Stellung beziehen wollte.

Bei der Führung in Riad jedoch hat die weltweite Empörung kein Umdenken erzeugt – im Gegenteil. Zwar wurden öffentliche Prügeltermine vorerst gestoppt, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit für Raif Badawi werde erlahmen. Bei der Großamnestie nach der Inthronisierung von König Salman im Januar wurde keiner der zahlreichen inhaftierten Bürgerrechtler und Regimekritiker berücksichtigt.

Neuer Innenminister greift noch härter durch

Der kompromisslose Kurs ist das Werk von Innenminister Mohammed bin Nayef, dessen 2012 verstorbener Vater das Ministerium zuvor vier Jahrzehnte mit so harter Hand regierte, dass ihn seine Landsleute „den schwarzen Prinzen“ nannten. Seit letzter Woche ist der 55-Jährige nun selbst der neue starke Mann Saudi-Arabiens. Am 29. April ernannte ihn der betagte Monarch Salman per Dekret zum Kronprinzen. Der bisherige Thronanwärter Muqrin wurde kurzerhand abgesetzt, ein in der modernen Geschichte Saudi-Arabiens einzigartiger Vorgang.

So befördert soll Mohammed bin Nayef vor allem im Inneren für Ruhe sorgen – gegen islamistische Terroristen von Al Qaida und „Islamischem Staat“, gegen die Schiiten im Osten sowie gegen Menschenrechtler. Zehntausende Internetseiten sind gesperrt. Auch bei den öffentlichen Enthauptungen beharrt die neue Führung geradezu demonstrativ auf ihrer blutigen Praxis, die Amnesty International als „makabre Steigerung“ anprangerte. In den ersten vier Monaten 2015 wurden bereits 79 Verurteilte hingerichtet, im gesamten Vorjahr waren es 87.

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