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Politik: Raketen aus dem Hinterhalt

Der Abschuss eines US-Hubschraubers zeigt: Taliban übernehmen die Kampfstrategien aus dem Irak

Im Kampf gegen Nato-Truppen in Afghanistan benutzen die Taliban zunehmend Waffen und Methoden, die beim Widerstand im Irak Erfolg gezeigt haben. Alles deutet darauf hin, dass der Beschuss mit einer raketengetriebenen Granate Ursache des Absturzes eines US-Hubschraubers am Mittwochabend im Süden Afghanistans war. Diese einfachen Flugabwehrwaffen sind in den jüngsten Monaten zu einer ernsten Bedrohung der US-Streitkräfte im Irak geworden. Die USA werfen dem Mullahregime im Iran vor, dass es die Aufständischen im Irak mit der Lieferung der Bauteile unterstütze. Der Iran grenzt im Osten an Afghanistan.

Bei dem Absturz starben alle sieben Insassen: fünf US-Besatzungsmitglieder sowie zwei Passagiere, ein Brite und ein Kanadier, die der Nato-Truppe angehören. Die Nato will sich offiziell erst nach einer Untersuchung äußern. Die Taliban sagen, sie hätten den schweren Transporthubschrauber vom Typ CH-47 Chinhook abgeschossen.

Als Rettungsmannschaften der Nato- geführten Internationalen Schutztruppe Isaf am Absturzort eintrafen, gerieten sie in einen Hinterhalt. Auch diese Methode, nach einem Attentat in einem koordinierten zweiten Akt die Verstärkung zu attackieren, ist seit längerem aus Irak bekannt. Der Vorfall ereignete sich in der Provinz Helmand, einer Hochburg der Taliban, in der Nähe der Ortschaft Kadschaki. Dort liegt ein Staudamm, der in letzter Zeit heftig umkämpft war.

Die Nato machte keine näheren Angaben zu den Opfern des Hinterhalts. Nach ihrer Darstellung mussten die Rettungsmannschaften Luftunterstützung anfordern, um sich zu verteidigen. „Ein Luftangriff war erforderlich, um die Bedrohung zu eliminieren“, sagte ein Sprecher. Die Taliban behaupten an, sie hätten insgesamt 35 Isaf-Soldaten getötet. Seit Beginn des Afghanistankriegs im Herbst 2001 sind 13 Chinhook-Hubschrauber dort abgestürzt. 75 US-Soldaten starben. Aber erst in diesem Jahr werden die Verluste in direkten Zusammenhang mit gezieltem feindlichem Beschuss gebracht.

Die Kämpfe um den Staudamm sind ein drittes Indiz für eine „Irakisierung“ der Widerstandsmethoden in Afghanistan, die Experten bei den „Think Tanks“ in Washington seit Monaten beobachten. Die Anschläge richten sich vermehrt gegen Aufbauprojekte. Die Aufständischen wollen verhindern, dass die Bevölkerung eine Verbesserung ihres Alltags erlebt und dies in Zusammenhang mit der fremden Truppenpräsenz bringt.

Das Elektrizitätswerk am Staudamm von Kadschaki wird derzeit von den USA repariert. Es soll einmal Kandahar mit Strom versorgen. Die in der Region stationieren britischen Soldaten, die den Damm schützen sollen, wurden in jüngster Zeit von den Taliban in heftige Kämpfe verwickelt.

Die Provinz Helmand gehört zum Kerngebiet der Paschtunen und zugleich der Taliban im Südosten Afghanistans an der Grenze zu Pakistan. Von dort stammt ein Großteil der Welt-Opium-Produktion. US-Experten in Washington warnen seit Monaten, die Entwicklung in Afghanistan nähere sich immer mehr der Lage in Irak an. Die Nato sei kaum noch in der Lage, sich im Süden gegen die Angriffe der Taliban zu behaupten, zumal diese sichere Rückzugsgebiete in Pakistan haben und von den dortigen Islamschulen Nachschub an Kämpfern erhielten. Die Nato ist mit 37 000 Soldaten in Afghanistan. Die Kämpfe im Süden bestreiten Amerikaner, Briten, Kanadier und Niederländer. Die Bundeswehr ist im vergleichsweise ruhigen Norden stationiert.

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