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Politik: Ralf Fücks ist es gewohnt, gegen den Strom zu schwimmen

Die stärksten Kritiker der Elche, lautet ein alter Lehrsatz der neuen Frankfurter Schule des Humors, waren früher selber welche. Ralf Fücks zum Beispiel.

Die stärksten Kritiker der Elche, lautet ein alter Lehrsatz der neuen Frankfurter Schule des Humors, waren früher selber welche. Ralf Fücks zum Beispiel. Der Initiator eines der beiden grünen Anti-Strömungs-Treffen vom Wochenende strömte in seiner politischen Jugend ziemlich links. Als "Rädelsführer" wurde der Student der Sozialwissenschaften in den 70er Jahren sogar einmal von der Uni geworfen. Später schwemmte es ihn, wie etliche andere Genossen, aus einer Sekte namens Kommunistischer Bund Westdeutschland in die Öko-Partei. Hier mutierte er vom Linken zu einem Lieblingsfeind der Freunde von einst.

Wenn der schmale Mann mit dem stechenden Blick seit Jahren gegen "ideologische Kreuzzüge" zu Felde zieht, weiß er also, wovon er spricht. Wie häufig bei Elch-Kritikern nährt der Zorn über die eigene Vernageltheit von einst besondere Unduldsamkeit mit aktuellen Vernageltheiten anderer. Gemeinsam mit der ebenfalls von ganz links kommenden Antje Vollmer versuchte Fücks Ende der 80er Jahre mit einer Gruppierung "Grüner Aufbruch" die Flügelkämpfe zu überwinden, die damals noch mit heute kaum mehr vorstellbarer Heftigkeit tobten. Vergebens.

Heute schwebt Vollmer als Bundestagsvizepräsidentin als eine Art grüne(r) Weizsäcker(in) zufrieden über den Sphären der Normal-Politik. Dem 48jährigen aber reicht es nicht, als Chef der "Heinrich-Böll-Stiftung" das grüne Vorfeld zu beackern, er will zurück ins Hauptgeschäft. Deshalb startete er einen Versuch, der dem Bemühen des "Aufbruchs" zum Verwechseln ähnelt: Vorwiegend realpolitisch orientierte Grüne propagieren gemeinsam mit ausgesuchten Kaum-noch-Linken das Ende aller Flügel.

Auch über die eigenen Parteigrenzen hinaus war der Vater zweier Kinder dabei, wenn es darum ging, Lagerdenken und -politik zu überwinden. Ralf Fücks gehörte in Bremen zu den Vätern des bundesweit bisher einzigen Exemplars einer "Ampelkoalition" aus rot, grün und gelb - SPD, Grüne und FDP. 1991 war das. Keiner hielt damals für möglich, dass in der Hansestadt eine große Koalition zum Erfolgsmodell werden könnte. Deshalb der avantgardistische Versuch, bei dem Ralf Fücks das beste als pragmatischer Umweltsenator gab. Das Problem war dabei nicht die SPD, sondern die FDP. Sie provozierte die "Piepmatz-Affäre", warf dem Grünen vor, ein Vogelschutzgebiet eigenmächtig deklariert zu haben. Anfang 1995 war das Bremer Experiment gescheitert - und Fücks um eine Erfahrung reicher, wie schwierig es ist zusammenzuarbeiten, wenn nicht alle zusammenarbeiten wollen. Er arbeitete auch in der Opposition an der weiteren Realpolitisierung seiner Partei und wechselte schließlich nach Berlin zur Böll-Stiftung. Hier nun der neue Versuch eines alten Grünen, aus der eigenen Geschichte zu lernen.

Thomas Kröter

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