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Politik: Ran an die Rente

Bushs neues Ziel: Die Reform der Alterssicherung

Der Kommentator zeigt sich verwundert. Es ist Mittwoch, spät am Abend, US-Präsident George W. Bush hat seine Rede zur Lage der Nation gehalten. Wie immer zu dieser Stunde werfen die Nachrichtensender einen Blick in die Zeitungen vom nächsten Tag. Die Schlagzeilen sind fast überall gleich: „Bush will Rentenversicherung reformieren.“ Bemerkenswert, findet der Kommentator. Zum ersten Mal seit den Anschlägen vom 11. September beherrschten die Agenda des Weißen Hauses nicht nur Terror, Krieg und Krisen, sondern auch die Innenpolitik. Es ist das große Projekt der zweiten Amtszeit von Bush. Gleich nach seiner Rede brach er zu einer Werbetour durch mehrere Bundesstaaten auf. In den Medien wird die Reform der Rentenversicherung rauf und runter diskutiert, die oppositionellen Demokraten haben erbitterten Widerstand angekündigt. Sie werfen Bush Panikmache vor. Einem der erfolgreichsten Programme in der US-Geschichte solle der Garaus gemacht werden. Der Streit wird an Intensität noch zunehmen.

Worum geht es? Das Grundproblem ist eine älter werdende Gesellschaft. In den sechziger Jahren zahlten fünf Beschäftigte in das System der staatlichen Altersversorgung (Social Security) ein, um einen Rentner zu finanzieren. Heute sind es nur noch drei Beschäftigte. In dreißig Jahren werden es nur noch zwei sein. Die Gesellschaft wird durchschnittlich immer älter, weil die Geburtenrate abnimmt und die Lebenserwartung steigt. Auch in den USA fußt das Rentensystem auf dem Generationenvertrag. Doch das Guthaben wird langsam, aber stetig aufgebraucht. Ab dem Jahr 2018 wird mehr aus- als eingezahlt. Der Trend steuere auf einen „Bankrott“ zu, warnte Bush am Mittwoch mit dramatischer Geste.

Das Problem teilen die USA mit allen westlichen Sozialstaaten. In Europa ist die Lage sogar weitaus ärger. Dort ist die Geburtenrate noch niedriger als in den USA, das Wirtschaftswachstum geringer, die Sozialleistungen sind großzügiger. Darauf weisen die Demokraten hin, wenn sie Bush vorwerfen, die Krise künstlich zu schüren. Der kontert mit dem Argument, man müsse frühzeitig gegensteuern, um nicht Flickschusterei zu betreiben, sondern das gesamte System der Altersversorgung langfristig zu sichern.

Seine Lösung heißt Teilprivatisierung. Ein Arbeitnehmer soll einen Teil seiner bisherigen Beiträge abzweigen und auf den Finanzmärkten anlegen können. Im Unterschied zur deutschen Riester-Rente, die zusätzlich erfolgt, würde sich dadurch freilich die Krise kurzfristig verschärfen. In den ersten zehn Jahren müssten schätzungsweise 750 Milliarden Dollar aufgebracht werden, um die Ausfallsumme auszugleichen. Das Haushaltsdefizit ist aber ohnehin auf Rekordhöhe, nicht zuletzt durch die drei Steuersenkungen aus Bushs erster Amtszeit. Wie also soll die Reform finanziert werden? Wieder ist Amerika geteilt. Ohne unmittelbare Not spiele die Regierung mit der Rente russisches Roulette, schimpfen die einen. Auch hier sei Bush ein Visionär, preisen ihn die anderen.

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