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Politik: Ran ans Steuer

DIE WOCHE IM PARLAMENT

Von StephanAndreas Casdorff

Die Opposition ist die Regierung im Wartestand – so sieht es aus. Jedenfalls nach dieser parlamentarisch-politischen Woche, der ersten dieser Legislaturperiode. Und doch wirkt die Opposition nur so erholt, weil die Regierung fast verbraucht erscheint. Von der Regierungserklärung des Bundeskanzlers über die Beratungen der einzelnen Etats – viel Sound, wenig Substanz.

Symptomatisch war der Versuch Gerhard Schröders, den Kennedy zu geben. Abgesehen davon, dass er die Sätze rednerisch verstolperte, bot er Angela Merkel die Angriffsfläche, weil das Gesagte nicht inhaltlich durchdrungen klang. Es fehlte ein festes Aussagengerüst. Was von Schröder zu erwarten gewesen wäre? Diese Ansage: Wir müssen machen, was geht – und dann sagen, wie es geht. Aber der Kanzler deklinierte nicht ein einziges Beispiel durch. Nicht einmal im Nachhinein. Das wirkt schon dreist. Und es wirkt nachhaltig. Die Opposition, die sich selbst weigert, ein Konzept anzubieten, ist dementsprechend gelassen.

Diese Woche war nur ein Beginn, sicher, aber eben auch kein neuer Anfang. Das Sparpaket fällt schon auseinander, das Hartz-Paket auch. Da zeigt sich, dass entweder zu lange der Mut gefehlt hat, die Zumutungen für alle klar zu benennen, oder dass der Abbau, besser: der Umbau von Erwartungen zu spät begonnen hat. Unter den gegebenen Umständen, mit hohem Defizit und Blauem Brief aus Brüssel, grassierender Arbeitslosigkeit und häufigen Konkursen, war herbe Enttäuschung vorauszusehen – und erst recht, wenn der Eindruck praktischer Ratlosigkeit erweckt wird.

Was wirklich nur schon politisch-handwerklich erstaunt. Denn gerade die realistische Einschätzung der Lage hätte zu einer Gemeinsamkeit mit der Opposition führen können, die sich der Kanzler im Parlament doch gewünscht hat: zur gemeinsamen Gewissheit, dass nur wer verändern will, nicht auch noch das verliert, was er bewahren möchte. So wertkonservativ sind sie inzwischen doch alle.

Das heißt nun nicht, dass man verpflichtet wäre, seine Überzeugungen bei der Kompromisssuche zu verlieren: Die unterschiedlichen Positionen sind vor allem Identitätsmarkierungen. Mögliche Verständigungen hängen viel öfter vom Zeitfaktor ab und davon, was dringend geboten ist. Ideologische Voreingenommenheiten klingen ab, im Vordergrund steht die Sache – so etwas in der Regierungserklärung nicht nur anklingen zu lassen, wäre von Schröder zu erwarten gewesen. Wenigstens im Lauf der Woche.

Stattdessen: eine Loseblattsammlung. Die Regierungserklärung, eine Summe von Wertbekenntnissen ohne genau festgelegten Aufgabenkatalog und dadurch mit oberflächlich wirkenden Moralisierungen. Wie und wohin Politik steuert, Oppositionschefin Merkel hat darauf auch noch in aller Öffentlichkeit hingewiesen, bleibt offen. Dabei ist Steuerung geradezu die Hauptarbeit der Politik. Ihre Aufgabe ist es, Durchsetzungs-Koalitionen für die drängendsten Probleme zu organisieren, gerade dann, wenn sie sich nur durch Konsens und vereinte Kraft lösen lassen.

Was wiederum den Mangel dieser Regierung erklärt: lauter Kapitäne, kein Steuermann. Lauter Minister-Präsidenten – und der Kanzler ist der erste vor den Gleichen? Das reicht für eine Woche.

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