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Politik: Rat billigt Arbeitsrecht in Frankreich

Staatschef Jacques Chirac will heute erklären, wie die Lage der Jugendlichen verbessert werden kann

Frankreichs Verfassungsrat hat das von dem konservativen Premierminister Dominique de Villepin durchgesetzte Beschäftigungsgesetz für jugendliche Berufsanfänger gebilligt. Nach der am Donnerstagabend bekannt gegebenen Entscheidung wies der Rat eine von Abgeordneten und Senatoren der oppositionellen Sozialisten eingereichte Beschwerde gegen den umstrittenen „Contrat première embauche“ (CPE) ohne Vorbehalte ab. Damit ist der Weg frei für die Inkraftsetzung des umstrittenen Gesetzes, gegen das Gewerkschaften sowie Studenten- und Schülerverbände in den vergangenen Wochen Sturm liefen.

Nach der Entscheidung könnte Staatspräsident Jacques Chirac das Gesetz noch am heutigen Freitag unterzeichnen. Die Frist zur Inkraftsetzung des Gesetzes beträgt neun Tage. Für den heutigen Abend kündigte der Elysée-Palast jedenfalls eine Fernsehansprache des Staatschefs an die Franzosen an. Dem Vernehmen nach will Chirac nach dem Vorbild der Verhandlungen, die 1968 zum Ende der Mai-Unruhen beitrugen, die Sozialpartner zu einem runden Tisch einladen, an dem umfassende Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungslage der Jugend erörtert werden sollten. Etwaige Vereinbarungen könnten dann, wie es hieß, den CPE später ersetzen.

Schon vor der Entscheidung des Verfassungsrates hatten Verfassungsrechtler die Ansicht vertreten, dass an dem CPE nichts auszusetzen sei. Der CPE gibt Arbeitgebern das Recht, Berufsanfänger unter 26 Jahren in den ersten zwei Beschäftigungsjahren ohne Angabe von Gründen zu entlassen. In seiner Begründung stellte der Rat am Donnerstag klar, dass der Gesetzgeber „angesichts der prekären Lage insbesondere der am wenigsten ausgebildeten Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt“ durchaus das Recht habe, einen „neuen Arbeitsvertrag“ zu schaffen. Keine Regel der Verfassung verbiete dem Gesetzgeber, solche Maßnahmen im allgemeinen Interesse zu ergreifen. Auch das von der Opposition vorgebrachte Argument gegen die Nichtbegründung von Entlassungen wies der Rat ab. Es sei nicht seine Aufgabe zu prüfen, ob das vom Gesetzgeber gesteckte Ziel auch auf andere Weise erreicht werden könne. Eventuelle Verletzungen des Europa-Rechts oder anderer internationaler Vertragsverpflichtungen waren nicht Gegenstand der Beschwerde.

In Deutschland hält indes Thomas Dieterich, der frühere Präsident des Bundesarbeitsgerichts, die Pläne der französischen Regierung, den Kündigungsschutz für jüngere Arbeitnehmer einzuschränken, für bedenklich. „Allein das Alter darf nicht Anknüpfungspunkt für Differenzierung sein“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ich habe starke Zweifel daran, dass eine solche Regelung mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.“ Der Ex-Verfassungsrichter verweist darauf, dass der Europäische Gerichtshof kürzlich in einem Urteil auch die deutsche Sonderregelung für ältere Arbeitnehmer moniert habe. In Deutschland können derzeit über 52-Jährige ohne Sachgrund befristet eingestellt werden. Die Bundesregierung muss dieses Gesetz nun überarbeiten. Dieterich sagte, eine Differenzierung dürfe nicht pauschal nach dem Alter erfolgen.

Für Frankreichs Premierminister Villepin bedeutet der Spruch des Verfassungsrates zwar einen Sieg, aber noch nicht das Ende der Proteste, die sich in den vergangenen Tagen zur politischen Krise auswuchsen. Wenn Chirac den CPE sofort in Kraft setzen würde, käme er damit zwar einer Forderung seines Premiers nach, der nach Zeitungsberichten mit seinem Rücktritt gedroht haben soll.

Ob es tatsächlich zum runden Tisch zwischen Regierung und Sozialpartnern kommt, erschien am Donnerstag fraglich. Die Opposition sprach on einer Provokation, und die Gewerkschaften wollen heute darüber beraten, ob sie an dem „Aktionstag“ am kommenden Dienstag festhalten sollen. Am Donnerstag besetzten tausende junger Leute in Paris, Marseille, Nantes, Lille und Rennes Straßen- und Eisenbahnschienen und verursachten stundenlange Verkehrsstaus.

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