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Politik: Rau tritt Amt des Bundespräsidenten an Parlament nimmt Abschied von Bonn

BONN (Tsp). Mit dem Amtsantritt von Johannes Rau als neuer Bundespräsident und dem Abschied des Bundestages von Bonn beginnt ein neues Kapitel deutscher Geschichte.

BONN (Tsp). Mit dem Amtsantritt von Johannes Rau als neuer Bundespräsident und dem Abschied des Bundestages von Bonn beginnt ein neues Kapitel deutscher Geschichte. Nach dreistündiger Debatte unter dem Titel "50 Jahre Demokratie - Dank an Bonn" wurde Rau am Donnerstag als neues Staatsoberhaupt und Nachfolger von Roman Herzog in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat vereidigt. "Ich will zuhören, damit niemand ungehört bleibt", sagte Rau in seiner ersten Rede nach der Amtseinführung. Die nächste Bundestagssitzung findet nach der Sommerpause am 8. September im Berliner Reichstagsgebäude statt.

Ex-Bundeskanzler Kohl (CDU) sowie Redner aller Parteien nannten die Bonner Ära eine der glücklichsten Abschnitte der deutschen Geschichte. In dieser Zeit sei es gelungen, eine stabile und weltweit anerkannte Demokratie zu schaffen. Dieses Fundament dürfe in Berlin nicht verspielt werden, sagte Kohl in seiner ersten Rede seit der Wahlniederlage im September vergangenen Jahres. Die Aussprache war über weite Strecken von wehmütiger Abschiedsstimmung, aber auch von erwartungsvoller Freude auf den Wechsel in den Berliner Reichstag geprägt. Für Verärgerung sorgte bei vielen Abgeordneten, daß Bundeskanzler Schröder (SPD) nicht das Wort ergriff und nach knapp zwei Stunden das Plenum verließ.

Der neue Bundespräsident Rau bezeichnete in seiner Antrittsrede die Schaffung von Arbeitsplätzen als wichtigste gesellschaftliche Aufgabe. Mit der religiösen Formel "So wahr mir Gott helfe", leistete er die Eidesformel. Raus Vorgänger Herzog, der nach fünf Jahren nicht wieder kandidiert hatte, dankte den Bürgern für Verständnis und Zuneigung. In einem Rückblick auf seine Amtszeit betonte er, daß er stets darauf geachtet habe, sich als Bürger unter Bürgern zu bewegen. Ein "Präsident zum Anfassen" habe er nie sein wollen, wohl aber ein "Präsident zum Ansprechen und zum Verstehen". Zu Beginn der Vereidigungszeremonie hatten Bundestagspräsident Thierse und der Bundesratspräsident, Hessens Regierungschef Koch, dem neuen Staatsoberhaupt eine glückliche Hand gewünscht und Herzogs Präsidentschaft gewürdigt.

Acht Jahre nach dem Parlamentsbeschluß über den Umzug von Bundestag und Bundesregierung nach Berlin würdigten Redner aller Parteien die Bonner Jahre. Kohl, der während seiner 50minütigen Rede auch immer wieder Beifall von den Regierungsparteien erhielt, nannte den Wechsel an die Spree die "Krönung des jahrzehntelangen Strebens der Deutschen nach Einigkeit und Recht und Freiheit". Er mahnte, das "kostbare Erbe, das Bonn an Berlin weitergibt", sorgfältig zu pflegen. Er dankte wie alle Redner der Stadt Bonn für ihren "Dienst an der Nation". Sie werde auch künftigen Generationen als "Wiege der zweiten deutschen Demokratie" in Erinnerung bleiben.

Nach den Worten von Thierse zieht der Bundestag zu einem "der glücklichsten Zeitpunkte der deutschen Geschichte" um. Dieser Wechsel dürfe aber nicht zu einer Abkehr oder zur Absage an die in Bonn gestaltete Politik werden. Bundestagsvizepräsidentin Vollmer (Grüne) sprach von einer "atemberaubenden Erfolgsgeschichte". Für den CSU-Landesgruppenchef Glos war Bonn die Wiege eines erfolgreichen Föderalismus in Deutschland. Der FDP-Vorsitzende Gerhardt meinte, in Berlin müsse darauf geachtet werden, daß die "Grundachse" der Bonner Politik nicht verschoben werde. Christa Luft (PDS) sagte, sie und die meisten anderen Ostdeutschen schätzten die Vorzüge von Demokratie und Rechtsstaat.

Bonn kann nach den Worten von NRW-Ministerpräsident Clement (SPD) auch nach dem Umzug der Regierung mit Zuversicht in die Zukunft sehen. Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen (CDU) versprach, daß Berlin eine "dienende Hauptstadt" sein werde, die mit "unverbrauchten Ideen" neuen Schwung in die Politik bringen wolle.

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