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Politik: Rau: Wir haben eine Bringschuld in Europa

Altbundespräsident mahnt Verantwortung der Deutschen an / Bush ruft die Balten auf, sich für die Freiheit ihrer Nachbarn einzusetzen

Berlin Zum Jahrestag des Kriegsendes vor 60 Jahren an diesem Sonntag haben Politiker den Blick vor allem in die Zukunft gerichtet. Im Zentrum der Reden stand die weitere Demokratisierung Europas. US-Präsident Bush, dessen Besuch in Lettland den russischen Präsidenten Putin verärgerte, verurteilte in Riga die sowjetische Besatzung des Baltikums. Er forderte aber gleichzeitig dazu auf, nun nach vorn zu blicken. Er lobte die „Welle der Demokratisierung“ in Osteuropa, dies liege im Interesse Russlands. Speziell die baltischen Staaten forderte Bush auf, sich aktiv für die Freiheit ihrer Nachbarländer einzusetzen.

Zahlreiche Politiker, darunter Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Innenminister Otto Schily, forderten mehr Courage gegen Rechts. Wowereit, der am Samstag am Brandenburger Tor die zweitägigen Feierlichkeiten eröffnete, sagte, auch am Sonntag sollten Zehntausende zum „Tag für Demokratie“ gegen „die Unverbesserlichen“ von Rechts in Berlin auf die Straße gehen: „Demokratie muss wehrhaft sein, wir wehren uns mit demokratischen Mitteln.“ Am späten Abend bildeten Tausende von Menschen quer durch Berlin eine 33 Kilometer lange Lichterkette. Schily nannte es unterdessen in „Bild am Sonntag“ eine Schande, „dass es eine Partei wie die NPD gibt, die mit nationalsozialistischem Gedankengut und mit Symbolen auftritt, die an die Nazis erinnern“.

Altbundespräsident Johannes Rau verwies im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag auf Verpflichtungen der Deutschen aus der Vergangenheit. „Natürlich“ hätten die Deutschen den europäischen Partnern gegenüber „eine Bringschuld“, betonte Rau. Friede und Versöhnung seien die Basis auch für wirtschaftlichen und politischen Erfolg, mahnte er. Rau wünscht sich von den Deutschen anlässlich des 8. Mai, dass sie das „Staunen nicht verlernen“ und es nicht als selbstverständlich ansehen, dass Deutschland trotz der Vergangenheit heute in Europa „von Freunden umzingelt“ sei. Auch Kanzler Schröder lenkte den Blick auf Europa. Die Einigung sei für ihn „Verpflichtung“, das europäische Friedenswerk ein „historisches Vermächtnis“, schrieb er in der „Süddeutschen Zeitung“. Forderungen nach einer Erweiterungspause lehnte er als „geschichtsvergessen“ ab.

Altbundespräsident Rau unterstrich, es stehe den Deutschen an, „an den Tag der Niederlage und der Befreiung immer wieder zu denken“. Angesichts der eigenen Erfahrungen mit Rechts- wie Linksradikalismus gebe es einen „Zwang zu mehr Sensibilität“ als in anderen Ländern.

Entschieden warb Rau dafür, dass Deutschland zur Lösung der aktuellen gesellschaftlichen Probleme einen selbstbewussten eigenen Weg geht. Im Kampf um Arbeitsplätze solle Deutschland offensiv auf die mittelständische Wirtschaft setzen: „Wir müssten mehr Unternehmerpersönlichkeiten fördern, die selbst haften, keine angestellten Manager.“ Derzeit werde die Diskussion zu sehr von Verbandsfunktionären und international wirkenden Konzernen bestimmt. „Viele von uns“ seien heute verwöhnt und sähen zu wenig den steigenden Anteil der Armen und Arbeitslosen. Die Deutschen sollten sich in der Zeit geringer werdenden Wohlstands auch selbst bescheiden, „aber nicht in dem Sinne, dass immer der eine zum anderen sagt: Du musst dich selbst bescheiden“. mue/Ha/dpa

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