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Rauchverbot

© dpa

Rauchverbot: Zur letzten Instanz

Bei der Verhandlung zum Rauchverbot in Kneipen und Discos in Karlsruhe mangelt es an harten Fakten. Die Kläger sehen ihre ökonomische Existenz gefährdet.

Einfach aufhören, lautet der gute Rat von Ärzten für Raucher. Einfach aufhören, das verlangt auch der Gesetzgeber in den meisten Bundesländern von Rauchern, wenn sie eine Gaststätte betreten. Dass beides nicht so leicht getan ist, wie es sich sagt, hat die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu den Nichtraucherschutzgesetzen in Berlin und Baden-Württemberg am Mittwoch in Karlsruhe gezeigt. Noch im Juli wollen die Richter urteilen.

Zum Rauchen, zum Rauchverbot hat jeder eine Meinung. Dass diese nicht zählt, stellt der Vorsitzende Richter Hans-Jürgen Papier zu Beginn klar. „Persönliche Bekenntnisse sind nicht gefragt.“ Exemplarisch hat das Gericht drei Verfassungsbeschwerden ausgewählt: Eine aus Berlin, von der Wirtin Sylvia Thimm, die in Prenzlauer Berg die Kneipe „Doors“ betreibt. Eine andere stammt von einem Tübinger Wirt und eine dritte von Heilbronner Diskothekenbesitzern. Sie alle wehren sich nicht gegen den Nichtraucherschutz in Gaststätten an sich, sondern es geht nur um die Ausnahmen: Sollen Gäste in kleinen Kneipen, die keine getrennten Raucher-Räume ausweisen können, nicht doch rauchen dürfen? Und warum soll, wie in Baden-Württemberg, sogar das Rauchen in Extra-Räumen von Diskotheken untersagt sein, während in Festzelten gequalmt werden darf?

Der ehemalige Verteidigungsminister und Verfassungsrechtler Rupert Scholz vertritt die schwäbischen Kläger. 60 000 bis 80 000 Einraumgaststätten seien betroffen, sagt er, 20 bis 40 Prozent davon ruinös. „Der Gesetzgeber hat sich über die Folgen des Verbots zu wenig Gedanken gemacht“, wirft er den Ländern vor. Kleine Kneipen könnten sich als Raucherkneipen deklarieren. „Passivraucher, die sich für Passivrauchen entscheiden, müssen nicht geschützt werden“, sagt er. Genau um die Passivraucher geht es aber den Ländervertretern. Mehr als 3000 davon sterben jährlich an den Folgen, rechnen Experten dem Gericht vor. Die Stuttgarter Sozialministerin Monika Stolz sagt, Tabakrauch sei die gefährlichste Innenraumverschmutzung und zugleich die vermeidbarste. Erfahrungen mit einem strikten Rauchverbot in Irland zeigten, dass Gastwirte gut damit leben könnten. Dass Zigarettenrauch auch in kleinen Mengen schädlich sein kann, bestreitet keiner der Kläger. Aber ihnen droht die Pleite, sagen sie. Ihr Lobbyverband, der Dehoga, liefert die Zahlen dazu: Der Fassbierabsatz sei um bis zu 15 Prozent gesunken, sagt Geschäftsführerin Ingrid Hartges. 40 bis 50 Prozent aller Betriebe seien negativ betroffen, hätten Umfragen ergeben.

Von der Schank- zur Speisewirtschaft dank Rauchverbot? Das Statistische Bundesamt zählt weit weniger als der Dehoga, nämlich nur 35 000 Kneipen, zur „Getränkegastronomie“. Amtsvertreter Roland Gnoss spricht von einer „schwierigen Lage“ der Kneipen, aber weniger wegen der neuen Gesetze, mehr wegen Euro, Konjunktur und höherer Mehrwertsteuer. Nun gebe es immerhin Zeichen dafür, dass die Talsohle durchschritten sei. Mit solcherlei Vagheiten und Prognosen wird sich jetzt das Gericht beschäftigen und auf ihrer Grundlage entscheiden müssen. Und es will es kurz machen: Im Juni verhandelt, im Juli geurteilt, das ist selten. Dass die Verhandlung knapp gehalten ist, lässt sich als weiteres Indiz dafür lesen, dass die Richter keine ausgreifenden rechtlichen Probleme sehen. Maßstab für sie ist die Berufs- und Eigentumsfreiheit. Papier sagt, es sei schon fraglich, ob die Gesetze überhaupt direkt in die genannten Grundrechte eingriffen oder es durch den lokalen Qualm-Stopp nur zu einer „reflexiven Belastung der Gastwirte“ komme. Da dieser Punkt am Mittwoch aber wenig diskutiert wurde, steht eher zu erwarten, dass die Richter sich die Ausnahmen vorknöpfen werden. Diese könnten „erhebliche Wanderungsbewegungen“ zu Lasten der kleinen Gaststätten auslösen, sagt Papier. Eine Prognose, welche die rigiden Verbote unverhältnismäßig erscheinen ließe. Dann kann es sein, dass sich der Bund der Materie annimmt und sie als Maßnahme zum Arbeitsschutz regelt. Auch hat die EU-Legislative schon angedeutet, bei dem Thema mitbestimmen zu wollen. Seite 11

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