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Unter Aufsicht. Soldaten und Polizei patrouillieren überall in der Brüsseler City zwischen Touristen und Anwohnern. Hier überwachen sie die Lage am "Manneken Pis", der Brunnenfigur eines urinierenden Knaben, die zu einem Wahrzeichen der belgischen Hauptstadt geworden ist.

© Laurent Dubrule/dpa

Razzien und Ausnahmezustand: Wie Brüssel versucht, mit der Terrorwarnung zu leben

Die Schulen und Universitäten sind geschlossen, Großveranstaltungen abgesagt - aber Sightseeing und Shoppen mögen viele Menschen in Brüssel trotz Terrorangst nicht missen.

Die höchste Terrorwarnstufe 4, wonach die Menschen in Brüssel weiter einer „unmittelbar“ bevorstehenden „sehr ernsten Bedrohung“ ausgesetzt sind, hat für Sabrine Cheour und Alex Carneiro auch etwas Gutes: „Wir haben keine Vorlesungen“, erzählt das Studentenpärchen von der Freien Universität, die wie alle Schulen der Stadt wegen der Anschlagsgefahr hat schließen müssen. „Da haben wir uns bei dem schönen Wetter für einen Bummel entschieden.“ Angst, sagt Carneiro, hätten sie nicht: „Irgendwie glaube ich nicht, dass hier auf offener Straße etwas passieren wird.“

Clare und Jeff aus London wollen sich ihren Kurztrip über den Kanal nicht vermiesen lassen und kaufen die Chocolaterien leer, „von denen heute schon wieder mehr offen haben als gestern“, wie die Mittdreißigerin Clare freudig berichtet: „Im Fernsehen wird die Lage viel gruseliger beschrieben, als sie wirklich ist.“

Langsam kehrt ein wenig Alltag in die City zurück

Am dritten Tag des „BrusselsLockdown“, wie die Abriegelung der belgischen Hauptstadt in den sozialen Netzwerken genannt wird, kehrt ein bisschen Leben in die Innenstadt zurück. Nicht wenige wollen offenbar den Ratschlag von Innenminister Jan Jambon befolgen, der am Morgen vor Panik gewarnt und gefordert hat: „Das ökonomische und soziale Leben muss weitergehen.“ Und so erledigen Menschen ihre Einkäufe, gehen im Parc Royal vor dem Königsschloss joggen oder ihrer Arbeit nach, weil der Chef ihres Geschäfts entschieden hat, nicht zu schließen. „Ich habe gar keine Wahl“, sagt etwa die Verkäuferin in einer Bäckerei auf die Frage, warum sie sich trotz höchster Alarmstufe in der Brüsseler City aufhält.

Gedenken. Auch im Brüsseler Stadtteil Molenbeek wurde am Sonntagabend den vielen Todesopfern und Verletzten der Attentate in Paris gedacht. Einige der Attentäter haben in dem Stadtteil gelebt.
Gedenken. Auch im Brüsseler Stadtteil Molenbeek wurde am Sonntagabend den vielen Todesopfern und Verletzten der Attentate in Paris gedacht. Einige der Attentäter haben in dem Stadtteil gelebt.

© Imago

Von Normalität kann keine Rede sein, da die U-Bahnhöfe weiter geschlossen bleiben und erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg an diesem Montag auch die Kinder nicht in die Schule gehen dürfen. Das Anti-Terror-Lagezentrum habe „keinerlei Gewissheit in Bezug auf den Ort der Bedrohung“, heißt es in einem Aushang an der geschlossenen Eisenpforte einer Innenstadtschule, weshalb man vorsorglich alle größeren Menschenansammlungen untersagen müsse.

Armeefahrzeuge und Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag sind auch an diesem Montag auf den Straßen unterwegs und sichern die neuralgischen Punkte der Stadt. Den zentralen Grand Place etwa, wo die Starbucks-Verkäuferin Emma erzählt, dass fast nur noch Sicherheitskräfte und Journalisten eine Latte aufgeschäumt haben wollen. Und die EU-Organe, die weniger wichtige Sitzungen verschoben haben, das Treffen der Euro-Finanzminister jedoch nicht absagen wollten. Oder das Gebäude in der Rue aux Laines, von wo aus die Staatsanwaltschaft die Anti-Terror-Ermittlungen führt.

Jagd auf Salah Abdeslam geht weiter

Seit Sonntagabend wurden insgesamt 21 Verdächtige festgenommen – der im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen gesuchte Salah Abdeslam ging den Fahndern jedoch nicht ins Netz. Und so setzte Belgiens Polizei, unterstützt von amerikanischen und französischen Beamten, am Montag ihre Jagd auf den 26-Jährigen fort, den vermutlich einzigen Überlebenden der Paris-Attentäter, der offenbar mit seiner Sprengstoffweste nach Brüssel zurückgekehrt ist und bei Gesinnungsgenossen Unterschlupf gefunden hat.

Unterstützt wurden die Beamten auch indirekt von der Bevölkerung. So hielten sich die meisten Twitter-Nutzer an die Bitte der Polizei, keine Fotos von Einsätzen oder andere Details zu veröffentlichen, die den Gesuchten etwas über das Vorgehen der Sicherheitskräfte verraten könnten. Die Brüsseler taten das trotz der bedrohlichen Situation auf humorvolle Weise: Sie stellten unter #brusselslockdown Fotos von Katzen im Anti-Terror- Einsatz ins Netz.

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