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Politik: Reaktion auf den Terror: Neue Radikale

Die Prognose klingt dramatisch: Nach einer Vergeltungsaktion der Amerikaner seien Straßenkrawalle, Besetzung von Parteibüros und US-Firmen, Brand- und Sprengstoffanschläge sowie "personenbezogene Gewalttaten" zu erwarten, sagte Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling. Auch Bundesinnenminister Otto Schily befürchtet, dass sich die Sicherheitslage der Bundesrepublik infolge von Strafmaßnahmen der USA, vor allem bei einer Beteiligung von Nato-Verbündeten, "verändert".

Von Frank Jansen

Die Prognose klingt dramatisch: Nach einer Vergeltungsaktion der Amerikaner seien Straßenkrawalle, Besetzung von Parteibüros und US-Firmen, Brand- und Sprengstoffanschläge sowie "personenbezogene Gewalttaten" zu erwarten, sagte Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling. Auch Bundesinnenminister Otto Schily befürchtet, dass sich die Sicherheitslage der Bundesrepublik infolge von Strafmaßnahmen der USA, vor allem bei einer Beteiligung von Nato-Verbündeten, "verändert". Droht nun neben den häufig prophezeiten Gewalttaten militanter Islamisten auch eine Renaissance des linken und rechten Terrorismus? Bei den Sicherheitsbehörden sind nur vorsichtige Antworten zu hören. Es deutet sich aber an, dass nach den gewaltbereiten Islamisten am ehesten türkische Linksextremisten als Risikofaktor eingestuft werden.

In der Bundesrepublik sind etwa zwölf Gruppen aus dem Spektrum des türkischen Linksextremismus aktiv. Das Personenpotenzial nimmt seit Jahren ab, derzeit wird es auf etwa 4200 Anhänger geschätzt. Da mehrere Gruppen in der Türkei schwere Straftaten verübt haben, gelten auch deren deutsche Ableger trotz sinkender Deliktzahlen als gefährlich. Dies betrifft vor allem die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C)". Der Bundesinnenminister hat sie 1998 verboten, dennoch sind weiterhin 900 Mitglieder in Deutschland aktiv.

Ihren Fanatismus demonstrierte die DHKP-C zuletzt am 10. September in Istanbul: Ein weibliches Mitglied sprengte sich in der Nähe von Polizisten in die Luft. Neben der Attentäterin kamen zwei Beamte ums Leben, 17 weitere sowie mehrere Passanten erlitten Verletzungen. Mit dem Anschlag wollte die DHKP-C auf den von ihr angeführten Hungerstreik in türkischen Gefängnissen aufmerksam machen. Seit Oktober 2000 sind 33 Häftlinge gestorben, zur Zeit beteiligen sich etwa 250 Häftlinge an dem selbstmörderischen Protest.

Im letzten Jahr haben deutsche Gerichte Mitglieder der DHKP-C wegen terroristischer Aktivitäten zu Haftstrafen verurteilt. Damit wurden offenbar die gewalttätigen Auseinandersetzungen mit rivalisierenden türkischen Linksextremisten in Deutschland gestoppt.

Auf militantes Gebaren verzichtet derzeit die "Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)". Daran werde sich nach einem Vergeltungsschlag der USA nichts ändern, glauben die Sicherheitsbehörden. Keine Terrorgefahr droht nach Ansicht der Behörden von den 7800 türkischen Rechtsextremisten, die sich in der Bundesrepublik aufhalten.

Bei militanten deutschen Linksextremisten sei nach US-Aktionen mit Demonstrationen und auch mit Krawallen und Brandanschlägen zu rechnen. Für eine Wiederbelebung des Terrorismus nach dem Modell der RAF gebe es aber keine Anhaltspunkte, sagen Experten. Einige befürchten jedoch schon länger, dass sich ein Teil der Globalisierungsgegner radikalisiert, bis hin zu Terroraktionen.

Angesichts der Sympathie der Neonazi-Szene für den Terror gegen die USA befürchten die Sicherheitsbehörden, "wenn das amerikanische Militär zuschlägt, legen anschließend rechte Resonanztäter los". Anschläge auf amerikanische und jüdische Einrichtungen seien nicht auszuschließen. Sorgen bereitet den Sicherheitsexperten jedoch auch die zu erwartende Eskalationsstufe nach den Protesten gegen einen möglichen US-Vergeltungsschlag: Sollten Ausländer mit Krawallen und Anschlägen auf eine Militäraktion reagieren, sei anschließend eine Welle fremdenfeindlicher Angriffe zu erwarten.

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