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Das Interesse an der Dobrindt'schen Maut ist groß - nicht nur in Deutschland. Das Foto zeigt Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf dem Weg zu seiner bisher wohl wichtigsten Pressekonferenz.

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Update

Reaktionen auf die deutsche Maut: Viele lehnen die Maut ab, andere wollen kassieren

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger verspricht eine "wohlwollende Prüfung". Aber die meisten finden den Vorschlag von Alexander Dobrindt nicht besonders überzeugend. Österreich denkt über eine Retourkutsche nach.

Nach der Vorstellung des Konzepts von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) befürchtet der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK), dass eine Pkw-Maut in Deutschland zu Streit mit den Nachbarländern führen könnte. „Wir müssen verhindern, dass wir die Pkw-Vignette einführen, die am Ende zum Streit mit unseren Nachbarn führt“, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der Zeitung „Die Welt“. Die erhofften Einnahmen rechtfertigten dies nicht, sie lösten auch nicht den seit Jahren bestehenden Investitionsstau in Deutschland.Zudem sei zu befürchten, „dass unsere Nachbarländer mit ähnlichen Regelungen nachziehen werden und deutsche Fahrzeuge belasten“, sagte Wansleben.

Auch der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) befürchtet nun ein flächendeckendes Maut-Netz in Europa. „Das könnte der erste Schritt zu einer europaweiten Maut für alle überall sein“, sagte er den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“. Die Wirtschaft im kleinen Grenzverkehr werde dadurch ausgebremst. Groschek sieht noch erheblichen Änderungsbedarf bei Dobrindts Plänen: „Ein Konzept für eine allgemeine Maut kann nur überzeugen, wenn es gerecht und unbürokratisch ist.“

Wenn schon Maut, dann wollen alle etwas abhaben

Nach den Bundesländern fordern auch die Kommunen eine angemessene Beteiligung am Maut-Aufkommen. Im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, über zwei Drittel aller Straßen in Deutschland seien kommunale Verkehrswege. „Das muss sich auch in der Verteilung der Einnahmen aus der Maut widerspiegeln.“ Landsberg nannte die Pkw-Maut nur „einen ersten Einstieg“. Langfristiges Ziel müsse sein, im Sinne des Bürokratieabbaus und zur Erleichterung der Reisemöglichkeiten die Mautsysteme in Europa zu vereinheitlichen, wobei allerdings der Ertrag dem jeweiligen Nationalstaat zustehen müsse.

Die deutsche Maut ist ein eher kompliziertes Gebilde. Die Reaktionen auf den Vorschlag aus dem Verkehrsministerium sind alles andere als euphorisch.
Die deutsche Maut ist ein eher kompliziertes Gebilde. Die Reaktionen auf den Vorschlag aus dem Verkehrsministerium sind alles andere als euphorisch.

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Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Sören Bartol, sagte im Sender HR-Info, positiv an den am Montag präsentierten Dobrindt-Plänen sei, dass Länder und Kommunen beteiligt würden. Es müsse aber noch geklärt werden, wie hoch die Systemkosten und der bürokratische Aufwand seien. „Es kommt darauf an, was am Ende unterm Strich übrig bleibt, und dann kann man entscheiden, ob es einen Beitrag dazu leistet, die Infrastruktur in Deutschland auf dem Stand zu halten, den wir brauchen.“

Dobrindts Konzept sieht eine Vignette für das gesamte Straßennetz in Form einer Infrastrukturabgabe vor. Der genaue Preis der Vignette richtet sich nach Öko-Klassen und Hubraum der Pkw. Inländische Fahrzeughalter sollen die Vignette automatisch per Post erhalten. Im Gegenzug sollen sie von einer geringeren Kfz-Steuer profitieren. Die Abgabe soll ab 2016 auf allen deutschen Straßen gelten.

EU-Kommissar Günther Oettinger verspricht "wohlwollende Prüfung"

Die EU-Kommission hat in der Debatte um die deutschen Maut-Pläne ihre rote Linie verteidigt. "Wir werden nie irgendeine Art von Diskriminierung akzeptieren", sagte die Sprecherin von Verkehrskommissar Siim Kallas am Dienstag in Brüssel mit Blick auf die Pläne von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Dennoch hat Energiekommissar Günther Oettinger hat wohlwollende Prüfung der deutschen Pkw-Mautpläne durch die EU-Kommission zugesagt. Die Kommission werde das Konzept auf seine Vereinbarkeit mit dem Europarecht eingehend untersuchen, sagte Oettinger am Dienstag im Deutschlandfunk. Sie sei in ihrem Urteil offen. Im Kern gehe es darum, dass in- und ausländische Autofahrer bei der Maut gleichbehandelt werden müssten. Oettinger sprach von einem interessanten, aber komplexen Vorschlag von Verkehrsminister Alexander Dobrindt.
Der Kommissar betonte mit Blick auf die geplante Ausgleichsregelung für inländische Autofahrer über eine abgesenkte Kfz-Steuer, dass die Besteuerung Sache der Mitgliedstaaten sei. “Deswegen sind die Mitgliedstaaten erst einmal völlig frei, ob sie und wo sie eine Steuer erheben, sie ändern und wie die Kriterien sind“, stellte er klar. Wichtig sei allerdings, dass die Pkw-Maut auf deutschen Straßen für Inländer nicht eins zu eins mit der Kfz-Steuer verrechnet werde dürfe. Grundsätzlich sei der deutsche Ansatz, dass jeder die Abgabe zahlen müsse, aber richtig. Auf lange Sicht schwebt Oettinger nach eigenen Worten vor, eine europäische Straßenverkehrsabgabe einzuführen.

SPD verlangt Klarheit von der EU-Kommission

Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Martin Burkert, dringt bei den Plänen für eine Pkw-Maut auf eine klare rechtliche Einschätzung der EU-Kommission. „Wir wollen ein deutliches Votum aus Brüssel“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Berlin. Nach EU-Recht dürfen ausländische Fahrer bei der angestrebten Vignette für alle deutschen Straßen nicht wegen ihrer Nationalität benachteiligt werden. Auf Basis des Konzepts von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) werde nun ein sehr detailreiches, intensives Gesetzgebungsverfahren folgen, sagte Burkert. Am 8. Oktober ist dazu eine Expertenanhörung im Verkehrsausschuss vorgesehen.

Für die SPD betonte Burkert, dass für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen keine Maut erhoben werden soll. „Uns liegen die Handwerker und der Mittelstand besonders am Herzen“, sagte er mit Blick auf Transporter, die über dieser Grenze liegen würden. Auch Dobrindts Konzept sieht diese Grenze vor.

Die Polizisten wollen die Maut nicht kontrollieren

Die Deutsche Polizeigewerkschaft lehnt einen Einsatz von Polizisten bei der Kontrolle der geplanten Maut-Vorschriften für Autofahrer ab. "Für die Kontrolle der Maut wird in Deutschland kein einziger Polizist zur Verfügung stehen", sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt, der "Bild"-Zeitung. "Das ist reine Einnahmeverwaltung und hat mit Verkehrssicherheit nichts zu tun. Dafür sind wir nicht da und das machen wir auch nicht." Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte am Montag sein Konzept für die Pkw-Maut vorgestellt. Die Abgabe soll über ein Vignetten-System eingetrieben werden. Dobrindt rechnet mit Einnahmen von rund 600 Millionen Euro im Jahr - nach Abzug der Kosten für das System, die das Ministerium auf 260 Millionen Euro jährlich schätzt. (AFP/dpa/Reuters)

Und was sagen die europäischen Nachbarn?

Angesichts der deutschen Mautpläne hält sich Österreich alle Reaktionen offen. Neben einer Klage komme analog zum deutschen Verfahren auch eine Ausweitung der Maut auf Bundesstraßen ins Spiel, deutete Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) am Dienstag in Wien an. „Das könnte eine Möglichkeit sein“, sagte Spindelegger. Einen ähnlichen Vorstoß hatte bereits der Salzburger Ministerpräsident Wilfried Haslauer (ÖVP) gemacht. Allerdings betonten beide, dass zunächst der Klageweg beschritten und ausgeschöpft werden solle. Er gehe davon aus, dass die deutsche Maut wegen der Belastungen nur für Ausländer nicht EU-rechtskonform sei, sagte Spindelegger. „Deutschland spielt gut Fußball, aber hat sich auch an EU-Recht zu halten. Wir lassen uns keine Regelung gefallen, die EU-Recht widerspricht. Das nehmen wir genau unter die Lupe“, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ).

Im europäischen Ausland wird der deutsche Mautvorschlag kritisch diskutiert. Pressestimmen aus Österreich und den Niederlanden:

Die Wiener Zeitung „Der Standard“ schreibt: „Das Verstörende aber ist, dass Dobrindt dafür eine Monster-Maut geschaffen hat. Weil die Kfz-Steuer auch geändert werden soll, müssen ab 2016 rund 50 Millionen Bescheide neu verschickt werden. Es wird eine enorme Maschinerie in Gang gesetzt, nur damit die CSU am Ende sagen kann: Die Deutschen kostet es nichts, aber die Ausländer müssen zahlen. Und so gewaltig sind die Einnahmen für den Bund nun auch wieder nicht. Von den 625 Millionen Euro jährlich werden die Länder einen Gutteil beanspruchen, schließlich wird auch auf ihren Straßen kassiert. Aufwand und Nutzen klaffen bei Dobrindt also ungefähr so auseinander, als würde jemand mit seinem Truck schnell ums Eck zum Milchkaufen fahren, weil er kein Fahrrad anschaffen will.“

Die Nachbarn in den Niederlanden und in Österreich finden den Mautvorschlag von Verkehrsminister Alexander Drobrindt (CSU) reichlich absurd.
Die Nachbarn in den Niederlanden und in Österreich finden den Mautvorschlag von Verkehrsminister Alexander Drobrindt (CSU) reichlich absurd.

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Die niederländische Zeitung „De Telegraaf“ kommentiert das Maut-Konzept so: „Der unselige Plan unserer Nachbarn, eine Maut für alle Straßen zu erheben, muss so schnell wie möglich vom Tisch. Die Leichtigkeit, mit der hier insbesondere niederländischen Autofahrern sowie unserer Wirtschaft Kosten aufgebürdet werden, ist erschreckend. Gibt es denn für sie eine Alternative zu einer Durchfahrt durch Deutschland, zum Beispiel auf dem Weg nach Österreich? Es ist ja nicht nur Deutschland, das Jagd macht auf unsere Geldbörsen. Die Franzosen machen es auch, aber dort gibt es wenigstens noch kostenfreie Alternativen auf normalen Landstraßen. (...) Die EU-Kommission muss natürlich eingreifen, zumal die Deutschen ihre eigene Bevölkerung durch geringere Kraftfahrzeugsteuern entschädigen wollen. Müssen die Niederlande nun künftig ihrerseits eine Maut für Pkw und Lastwagen mit deutschem Kennzeichen erheben? Das ist ein unheilvoller Weg, den die Niederlande besser nicht einschlagen sollten.“ (dpa)

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