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Reaktionen auf Merkel-Rede: Bildungsrepublik Deutschland: Kooperation, nicht Konfrontation

Die Kanzlerin hat die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen und das Thema zu ihrer Chefsache erklärt. Die Länder sehen Merkels Vorstoß daher gelassen.

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Berlin -  Die Ministerpräsidenten, deren Sache Bildung eigentlich ist, regen sich nicht übermäßig auf, dass Angela Merkel im Verein mit ihrer zuständigen Ressortleiterin Annette Schavan (CDU) das ureigene Länderterrain betritt. Auch dass sie zu einem nationalen Bildungsgipfel gerufen hat, schreckt die Länderchefs nicht sehr. Denn sie müssen dafür nicht in Berlin antanzen, weil Merkel zu ihnen kommt. Der Gipfel findet in Dresden statt, am „22. Oktober, nachmittags“, wie Merkel anmerkte, und zwar während der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz unter Leitung des neuen sächsischen Regierungschefs Stanislaw Tillich (CDU). Ein Signal, dass die Bildungsrepublik auch ein Bildungsbund sein soll.

Der Regierungschef von Sachsen- Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), sieht den Gipfel daher „ganz gelassen“. Und auch die Gralshüter des Föderalismus in Bayern fühlen sich nicht aufgestachelt. „Es hat durchaus Sinn, sich an einen Tisch zu setzen und zu beraten, wie wir mit dem Zukunftsthema umgehen. Wenn in der Bildungspolitik etwas verbessert werden kann, werden wir uns nicht entziehen“, sagt Ministerpräsident Günther Beckstein (CDU). Deutschland sei international nicht in der Spitzengruppe – Bayern natürlich ausgenommen. „Wir sind wettbewerbsfähig“, schiebt Beckstein nach, und einen vernünftigen Wettbewerb solle es in der Bildungspolitik auch weiterhin geben.

Will heißen: Auf Zuständigkeitsfragen werden sich die Länder beim Gipfel mit Merkel nicht einlassen. Ob Beckstein, Böhmer, der Thüringer Dieter Althaus, ob Christian Wulff in Niedersachsen oder Klaus Wowereit in Berlin: Sie alle betonen, dass sie sich in ihre Länderangelegenheiten nicht hineinregieren lassen wollen. Und die Kanzlerin hat vorsorglich schon erklärt, dass das auch gar nicht angestrebt werde. Chefsache heißt also nicht, dass Bildung nun plötzlich wieder Bundessache werden soll – wie das einst unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) durchaus mal geplant war. Man sucht die Zusammenarbeit, nicht den Streit.

„Es gibt kein Beispiel dafür, dass Zentralisierung an sich auch die Qualität erhöht“, gibt Wolfgang Reinhart (CDU), Bundesratsminister in Stuttgart, zu bedenken. „Im Wettbewerb strengen sich alle mehr an. Wir nehmen an, dass der Bildungsgipfel genau das unterstreichen soll.“ Bildung sei Ländersache und dabei werde es bleiben. Auch weil Schavan kürzlich äußerte, wenn die Politik sich nur über Zuständigkeiten streite, werde „das föderale System an die Wand gefahren“, glaubt man sich in den Länder relativ sicher vor solchen Kompetenzdebatten.

Beckstein sieht eine Aufgabe darin, sich verstärkt um die jeweiligen „Schnittstellen“ zwischen Kindergarten, Schule, beruflicher Bildung und Hochschulen zu kümmern. Und Reinhart weist darauf hin, dass der Bund ja durchaus seinen eigenen Bereich in der Bildungspolitik hat, in dem er sich anstrengen kann. Bei der beruflichen Bildung etwa und in der Frage, wie man mit Schulabgängern umgeht. „Das Thema trifft die Bundesagentur für Arbeit, und die BA kann hier ohne Zweifel effektiver werden.“

Auch die für Merkels Bildungsrepublik im Bundeskabinett zuständige Ministerin Schavan demonstrierte am Freitag insbesondere Gelassenheit. Ihr gehe es keineswegs darum, nun mit den Bundesländern über eine Neuverteilung von Kompetenzen zu verhandeln. „Kooperation, nicht Konfrontation“ sei ihre Devise bei der Umsetzung der Bildungsziele. Und was das Geld angeht, verwies Schavan auf die „demografische Rendite“, die jetzt entstehe und die es gelte, für Bildungsaufgaben zu sichern. Konkret heißt das, trotz dramatisch sinkender Schülerzahlen das Geld für Bildung nicht zu kürzen. Schavan hat bereits ausgerechnet, dass dadurch bis 2015 rund 25 Milliarden Euro zur Verfügung stünden.

Inhaltlich hielt sich die Ministerin ausschließlich an bekannten Themen fest, die sie bereits vor Jahresfrist zu einem „Masterplan“ zusammengestellt hatte. Darin geht es vor allem um bessere frühkindliche Bildung, um die Qualifizierung von Erzieherinnen, die diese Bildungsaufgaben im vorschulischen Bereich übernehmen sollen und um die Organisation von Sprachkursen und -prüfungen für Kleinkinder, so dass deren Bildungsvoraussetzungen besser werden, wenn sie zur Schule gehen.

Teil des Masterplans sei es auch, Lösungen für die rund 80 000 Schulabbrecher zu finden, die es jedes Jahr in Deutschland gibt. Außerdem will Schavan das gesamte Bildungssystem transparenter und damit durchlässiger machen, um Schülern, die beispielsweise erst einen Beruf erlernen wollen, nicht den Weg zum Hochschulstudium zu verbauen. Die Ministerin verspricht sich davon auch eine bessere soziale Durchmischung der einzelnen Bildungsgänge. „Unsere Probleme finden sich zumeist an den Schnittstellen“, sagte auch Schavan am Freitag. An diese Schnittstellen – die meist auch solche zwischen den Zuständigkeitsbereichen von Bund, Ländern und Kommunen sind – will die Bundesbildungsministerin jedoch, wie gesagt, keinesfalls strukturell rühren.

Die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Kerstin Griese (SPD), sagte, es sei erfreulich, dass nun auch die CDU das Thema frühkindliche Bildung aufgreife, auf dessen Bedeutung die SPD schon lange hingewiesen habe. „Die Erfahrung zeigt, dass sich die Ideen der SPD durchsetzen“, meinte sie.

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