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Reaktionen auf Papstreise: "Der Papst, der ein Pole wurde"

Nach dem Besuch von Benedikt XVI. bleiben den Polen Erinnerungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Bilder von jubelnden Menschen und von einem Tabubruch.

Warschau/Krakau - Da sind viele junge Leute, die zum Teil auf Deutsch «Wir lieben Dich!» riefen, die den intellektuellen Joseph Ratzinger immer weicher und emotionaler wirken ließen, bis hin zu dem Bekenntnis: «Das Krakau von Johannes Paul II. ist auch mein Krakau.» Für manche polnische Zeitung ist der deutsche Papst bereits ein Ehrenbürger: «Der Papst, der ein Pole wurde», titelte die Zeitung «Super Express» am Montag.

Da sind aber auch die anderen, eindringlichen Bilder des Papstes, der mit versteinerter Miene vor der Todeswand von Auschwitz betete, neben den zerstörten Krematorien Birkenaus vom Schweigen Gottes sprach. Der Papst betete in deutscher Sprache - ein Tabubruch an einem Ort wie Auschwitz, meinten einige Kommentatoren vor allem mit Blick auf diejenigen Überlebenden, die zuletzt Deutsch von den SS-Mannschaften gehört hatten.

«Der Papst hat der Asche der Ermordeten auf schöne Weise Ehre erwiesen, aber er hat nicht darüber gesprochen, was heute auf der Welt geschieht, und er hat nicht über die Zukunft gesprochen», schrieb Marek Edelman, der letzte überlebende Kommandant des Warschauer Ghetto-Aufstands, in der «Gazeta Wyborcza». Zofia Lys, eine Holocaust-Überlebende, die in Auschwitz ihre Familie verlor und vier Mal die berüchtigte Selektion überlebte, hätte sich eine deutliche Verurteilung des heutigen Antisemitismus gewünscht. «Ich würde ihm sagen: Papst, wir brauchen Deine Stimme! Der Nazismus wird wieder geboren», sagte sie.

«Benedikt XVI. hat in Auschwitz mehr gesagt, als erwartet werden konnte. Kaum ein deutscher Politiker hätte es geschafft, so kategorisch das Ausmaß der ungeheuren Schuld Deutschlands im Zweiten Weltkrieg zu benennen», meinte der frühere polnische Außenminister und einstige Auschwitz-Häftling Wladyslaw Bartoszewski. Der israelische Historiker Israel Gutman, ein Auschwitz-Überlebender, hätte von der Ansprache des Papstes weitere Fragen und Antworten erwartet: «Warum verloren damals Millionen Juden ihr Leben? Nicht nur Gott hörte die Schreie der Ermordeten nicht - der Vatikan, Pius XII. hörte sie ebenfalls nicht. Ich bedauere, dass der Papst nichts über die zerstörende Kraft des Antisemitismus gesagt hat.»

Theologen und Soziologen diskutieren unterdessen, ob vom Jubel vor allem der vielen jungen Menschen mehr übrig bleibt als der Enthusiasmus eines religiösen Happenings, das Gemeinschaftsgefühl eines Ereignisses mit Gleichaltrigen, egal, ob es sich um ein Popkonzert oder einen Papstbesuch handelt. Während der Begegnung mit dem Papst auf den Krakauer Blonie-Wiesen haben tausende Jugendlicher sich schriftlich zu einem Leben ohne Drogen verpflichtet. Ob die Begegnung mit dem Papst, der sie zu einem lebendigen Glauben aufgefordert hat, auch ihr Leben ändert, bleibt abzuwarten.

Abzuwarten bleibt auch, ob die Worte des Papstes Politiker wie Kirchenleute in Polen erreicht haben, die in den vergangenen Monaten die Trennung von Staat und Kirche aufzuheben schienen, etwa bei der offenen Parteinahme des fundamentalistischen Rundfunksenders Radio Maryja für die nationalkonservative Regierung. Gleich zu Beginn seines Besuchs mahnte Benedikt XVI.: Die Aufgabe der Priester ist die Seelsorge, nicht die Politik. (Von Eva Krafczyk, dpa)

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