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Reaktionen: Bundesregierung begrüßt Nobelpreis für Liu Xiaobo

Die Bundesregierung hat die Vergabe des Friedensnobelpreises an den chinesischen Bügerrechtler Liu Xiaobo begrüßt und seine Freilassung gefordert. Regierungssprecher Steffen Seibert würdigte Lius gewaltfreies Engagement.

Die Bundesregierung hat die Vergabe des Friedensnobelpreises an den chinesischen Bügerrechtler Liu Xiaobo begrüßt und seine Freilassung gefordert. Regierungssprecher Steffen Seibert würdigte Lius gewaltfreies Engagement. "Liu Xiaobo fordert, den Hass abzulegen, und wenn man sieht, wie respektvoll er sich über seinen eigenen Zellenwärter äußert, dann muss einen auch das beeindrucken", sagte der Sprecher. "Die Bundesregierung wünscht sich, dass er freikommt und diesen Preis selber in Empfang nehmen kann. Sie hat sich in der Vergangenheit für die Freilassung eingesetzt und sie wird das auch jetzt tun."

Bundespräsident Christian Wulff sagte Liu Xiaobo die Unterstützung Deutschlands zu. Das Staatsoberhaupt gratulierte dem Dissidenten zu der Auszeichnung durch das norwegische Nobelkomitee. "Ihr Mut, sich für die Menschenrechte in Ihrem Land friedlich einzusetzen, hat meinen größten Respekt", hieß es im Glückwunschschreiben. Wulff bescheinigte China, es habe seit der Öffnung nicht nur wirtschaftlich große Fortschritte gemacht. Die chinesische Verfassung sei geändert worden, um Menschenrechte aufzunehmen. "Die Regierung betont, wie wichtig es ist, dass sich China zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entwickelt." Wulff unterstrich, Liu habe sich friedlich an der Diskussion um die demokratische Zukunft Chinas beteiligt. Seine Verurteilung zu elf Jahren Haft habe in vielen Teilen der Welt Bestürzung ausgelöst. "Deutschland hat sich gemeinsam mit seinen Partnern in der Europäischen Union für Sie eingesetzt. Wir werden dies auch weiterhin tun", versicherte der Bundespräsident.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) lobte die Entscheidung des Nobelkomitees. Die Verleihung des Preises an Liu sei "Ansporn und Mahnung, die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern weltweit zu unterstützen und in unserem Eintreten für Meinungsfreiheit nicht nachzulassen."

SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte, nachdem China in den vergangenen Jahren mutige Reformen und einen beeindruckenden ökonomischen Prozess eingeleitet habe, müsse das Land jetzt den gleichen Mut aufbringen, seine Zivilgesellschaft zu stärken. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg sei die Freilassung von Liu.

Die Grünen forderten ebenfalls eine Freilassung des 54-Jährigen. Die harsche Kritik der chinesischen Regierung zeige, dass China noch weit davon entfernt sei, Meinungs- und Pressefreiheit zu gewährleisten, erklärten die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin und Renate Künast in Berlin. "Das Nobelkomitee hat eine gute und richtige Entscheidung getroffen und sich dem Druck der chinesischen Regierung nicht gebeugt."

Die chinesische Regierung verurteilte die Vergabe des Nobelpreises an Liu Xiaobo scharf. Der 54-Jährige sei "ein Krimineller", der wegen Gesetzesverstößen durch chinesische Justizorgane verurteilt worden sei, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums. "Die Vergabe durch das Nobelkomitee an solche Leute widerspricht völlig dem Ziel des Preises", hieß es weiter. Es sei auch "eine Schmähung" des Friedensnobelpreises. Die Verleihung werde den chinesisch-norwegischen Beziehungen schaden.

Die Frau des inhaftierten Bürgerrechtlers Liu Xiaobo äußerte sich hoch erfreut über die Verleihung des Preises an ihren Mann. "Ich bin glücklich, aber ich kann nicht herauskommen", sagte Liu Xia am Telefon in ihrer Wohnung in dem von der Polizei abgeriegelten Apartmentkomplex. "Ich stecke hier fest - mit der Polizei", sagte Liu Xia.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker sprach von einer "schallenden Ohrfeige für Chinas Machthaber". Auch die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" lobte eine "Entscheidung von historischer Tragweite". Von ihr gehe eine hoffnungsvolle Botschaft für die Bevölkerung Chinas sowie für alle weltweit inhaftierten Dissidenten aus. Gleichzeitig zeige die Entscheidung für Liu Xiaobo, dass es der chinesischen Regierung nicht gelungen sei, das Nobelkomitee und die norwegischen Behörden einzuschüchtern.

Grundsätzliche Kritik kam hingegen von der deutschen Friedensbewegung. Es gehe nicht darum, Liu Xiaobo zu kritisieren, erklärte der Bundesausschuss Friedensratschlag. Er habe große Verdienste und sei der "richtige Mann am falschen Ort". Das Problem sei, dass der Friedensnobelpreis in den letzten Jahren zunehmend entweder nach politischen Gesichtspunkten vergeben worden sei, oder dass er Leistungen bedacht habe, die nur in sehr entfernter Weise mit dem ursprünglichen Charakter des Preises zu tun hätten. "Im abgelaufenen Jahrzehnt wurde die Hälfte der Auszeichnungen an Personen oder Organisationen verliehen, die sich um die Umwelt, um Menschenrechte und die wirtschaftliche Entwicklung verdient gemacht haben."

Die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay begrüßte die Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo. Mit der Auszeichnung werde ein "wichtiger Verteidiger der Menschenrechte" anerkannt, erklärte Pillay in Genf. "Wir begrüßen die Anerkennung der sehr wichtigen Rolle, welche die Verteidiger der Menschenrechte in China und zahlreichen anderen Ländern spielen", erklärte sie. Pillay würdigte den "Mut" von Liu und anderen Verteidigern der Menschenrechte, die für ihre Überzeugungen die Stimme erhöben. Menschenrechtler wie Liu könnten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung Chinas beitragen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gratulierte Liu Xiaobo. Die Auszeichnung sei "eine starke Botschaft der Unterstützung für all jene in der Welt, die gelegentlich unter großen persönlichen Opfern für Freiheit und Menschenrechte kämpfen", erklärte Barroso in Brüssel. Dabei handele es sich um "Kernwerte der Europäischen Union", deren Bedeutung für die ganze Welt unterstrichen werde.

Amnesty International begrüßte ebenfalls die Verleihung des Nobelpreises an Liu Xiaobo. "Liu Xiaobo hat den Friedensnobelpreis mehr als verdient. Er steht stellvertretend für all diejenigen, die sich in China für die Menschenrechte einsetzen", erklärte die Menschenrechtsorganisation. Alle "gewaltlosen politischen Gefangenen in China" müssten freigelassen werden. Liu sitze derzeit eine elfjährige Haftstrafe wegen Anstiftung zur Subversion ab, erklärte Amnesty International in London. Es sei zu hoffen, dass der Nobelpreis "das Schlaglicht auf den Kampf für grundlegende Freiheiten und den konkreten Schutz der Menschenrechte" richte, dem sich Liu Xiaobo und viele andere in China widmen würden. "Diese Auszeichnung kann nur eine reale Wirkung entfalten, wenn sie zu mehr internationalem Druck auf China führt, Liu freizulassen."

Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg gratulierte Liu Xiaobo zum Friedensnobelpreis, vermied dabei aber jede direkte Kritik an Peking. "Liu Xiaobo bekommt den Preis für seine Verteidigung von Meinungsfreiheit und Demokratie. Das tut er auf eine Weise, die Aufmerksamkeit und Respekt verdient." Norwegen habe mit China "eine sehr gute und umfassende Zusammenarbeit", meinte der Sozialdemokrat weiter. Dazu gehöre auch die Erörterung von Menschenrechtsfragen. Vertreter des Pekinger Außenministeriums hatten in Oslo mit einer Verschlechterung der Beziehungen gedroht, falls Liu oder ein anderer Oppositioneller aus China den Friedensnobelpreis bekommen sollte.

Frankreich zeigte sich über die Verleihung des Preises an Liu Xiaobo erfreut. "Diese Entscheidung steht für die Verteidigung der Menschenrechte überall auf der Welt", heißt es in einer am Freitag verbreiteten Erklärung von Außenminister Bernard Kouchner. Frankreich bekräftige seinen Appell an Peking, Liu freizulassen.

Mehrere chinesische Bürgerrechtler begrüßten die Auszeichnung. "Es ist eine Ermutigung für die Demokratiebewegung", sagte der langjährige Rechtsaktivist Yao Lifa. "Die internationale Gemeinschaft zeigt, dass sie sich um jene sorgt, die in China in der Demokratiebewegung mitarbeiten und die Menschenrechte voranbringen wollen."

Der Regimekritiker Bao Tong zeigte sich wenig überrascht über die Auszeichnung. "Natürlich hat er ihn verdient", sagte der frühere enge Mitarbeiter des 1989 gestürzten, reformerischen Parteichefs Zhao Ziyang. "Es zeigt, dass die Bemühungen der chinesischen Bürger, ihre eigenen Rechte geltend zu machen, das Verständnis, die Aufmerksamkeit und Ermutigung durch die internationale Gemeinschaft gewonnen haben."

"Er hat es verdient", sagte auch der Bürgerrechtler Teng Biao. "In den vergangenen 20 Jahren hat Liu Xiaobo friedlich für Demokratie und Menschenrechte gekämpft." Die Auszeichnung ehre symbolisch den gesamten Demokratisierungsprozess in China. "Es wird den Ruf in der Zivilgesellschaft nach politischer Reform ermutigen." Die chinesische Regierung werde eine "Einmischung in innere Angelegenheiten" sehen. "Sie werden die Kontrolle der heimischen Dissidenten der Zivilgesellschaft noch verstärken", sagte der Rechtsexperte.

Die Vergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo ist nach Ansicht von Menschenrechtlern eine "schallende Ohrfeige" für Chinas Machthaber und ein Meilenstein im Kampf gegen Zensur in dem asiatischen Land. "Es ist ein Debakel für Chinas Streben nach mehr internationaler Anerkennung und nach Ruhigstellung der Opposition", sagte der Asienreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, in Göttingen. (dpa/AFP/dapd/rtr)

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