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Politik: Realismus statt Harmonie

WELTGIPFEL IN SÜDAFRIKA

Von Dagmar Dehmer

Es ist die größte Konferenz, die je von den Vereinten Nationen veranstaltet wurde. Und sie hat auch die größte Aufgabe. Kofi Annan hat dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung ein großes Ziel vorgegeben: der Globalisierung ein menschliches Gesicht zu geben. Dazu hat er die Staatschefs aus aller Welt nach Johannesburg eingeladen. Denn das tatsächliche Gesicht der Globalisierung blickt finster auf die Welt. Im Kampf um die Anteile am großen Markt haben sich staatliche Autoritäten aufgelöst wie in Afghanistan, und in Afrika gibt es fast nur Verlierer. Globalisierung macht Angst. So sehr, dass manche nicht davor zurückschrecken, diese Ängste als Vorwand für ihren fundamentalistischen Terror zu nutzen – wie bei den Attentaten am 11. September.

Angst machen auch die Vorboten des Klimawandels. Europa und Asien versinken im Hochwasser, in Kanada und im Süden Afrikas lechzen Menschen, Tiere und Pflanzen nach Wasser. Dort will seit Monaten kein Regen fallen. Wenn das erst der Anfang ist, wollen viele gar nicht erst wissen, wie es weiter geht.

Die Aufgabe der Politiker in Johannesburg ist es, auf diese Ängste eine Antwort zu finden. Vor zehn Jahren beim Erdgipfel in Rio glaubten sie diese schon einmal gefunden zu haben. Die Idee, mit den Ressourcen der Erde so zu haushalten, dass auch künftige Generationen auf und von ihr leben können, ohne auf Kosten der Entwicklungsländer zu wirtschaften, bekam schnell viele Freunde. Nach dem Fall der Mauer schien alles möglich, sogar Ökologie und Gerechtigkeit miteinander zu versöhnen. Die Formel aus Rio lautete: nachhaltige Entwicklung. Doch was heißt das?

Die Entwicklungsländer verstehen darunter vor allem wirtschaftliches Wachstum. Die Europäer verstehen darunter eine Entwicklung, die auf genau die Ressourcenverschwendung, die ihren Aufstieg zur Wirtschaftsmacht begleitet hat, verzichtet. Und die USA haben schon vor zehn Jahren die Position vertreten: Unser Lebensstil ist nicht verhandelbar.

Das Versprechen von Rio war, den Entwicklungsländern einen Aufstieg aus der Armut zu ermöglichen. Gleichzeitig wollte die Weltgemeinschaft rechtzeitig auf die Umweltgefahren reagieren, die sich längst abzeichneten. Das Klimaschutzabkommen von Kyoto und das Abkommen über die Biologische Vielfalt sind zwei konkrete Ergebnisse dieser Bemühungen. Trotzdem ist die Bilanz von Rio ernüchternd. Es ist nicht gelungen, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu senken. Und auch vom Entwicklungsversprechen ist nicht viel übrig geblieben. Kaum ein Industriestaat hat auch nur seine finanziellen Zusagen von Rio eingehalten. Mit der Gründung der Welthandelsorganisation haben sich den Entwicklungsländern keineswegs die Märkte der Industriestaaten geöffnet – von Freihandel keine Spur.

Viele Hoffnungen nach dem Gipfel von Rio haben sich als Täuschung erwiesen. In Johannesburg bekommen die Staatschefs eine zweite Chance. Natürlich werden sie es nicht schaffen, die Gegensätze zwischen Arm und Reich, zwischen Ressourcenverschwendung und Rohstoffknappheit zu überwinden. Aber vielleicht gelingt es ihnen, diesmal ein paar realistische Antworten auf die Ängste der globalisierten Welt zu finden. Keine Harmonieversprechen mehr. Am Ende könnten praktische Vorschläge stehen, wie die Zahl der Globalisierungsverlierer kleiner werden kann. Oder wie mit einem Siegeszug der erneuerbaren Energien der Kollaps der Atmosphäre zu verhindern ist. Wenn das große Ziel wenigstens mit ersten konkreten Schritten anvisiert würde, dann wäre der Weltgipfel ein echter Erfolg.

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