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Politik: Rebellin aus Oschersleben

Wie Gabriele Brakebusch gegen ihre Partei stimmte

Von Robert Birnbaum

Hannover - Rebellinnen stellt man sich anders vor, irgendwie stürmischer oder auch ein bisschen verkniffen. Gabriele Brakebusch ist eine gemütliche 53-Jährige, die in ihrem weinroten Kostüm beim geselligen Abend ihres heimatlichen Schützenvereins Harbke von 1803 e. V. nicht auffallen würde. Aber sie hat sich widersetzt. Als CDU-Vize Christian Wulff beim Parteitag in Hannover am Montagabend die feierliche Schlussabstimmung über das neue Grundsatzprogramm aufrief, hat die Delegierte Brakebusch aus Sachsen-Anhalt die Hand bei „Nein“ gehoben. Die Sitznachbarn haben ungläubig geguckt; auch Wulff hat sicherheitshalber noch mal nachgefragt, ob das da gerade eine Gegenstimme gewesen sei? Es war.

Dabei hat Brakebusch gar nichts gegen das Programm. Ihr fehlen nur ein paar Sätze darin – und die ernsthafte Befassung mit diesen Sätzen. Zum Beispiel Änderungsantrag A 185 zum Unterkapitel „Leistung“. „Die eigene Leistung gehört zur freien Entfaltung der Person“, heißt es dort. Das konnte der Landesverband Sachsen-Anhalt unterschreiben, fand es aber zu unkonkret und beantragte Ergänzung. Die CDU, sollte es nach Meinung der Sachsen-Anhaltiner heißen, werde „sinnstiftende Tätigkeiten im sozialen, familiären und kulturellen Bereich im Sinne einer Bürgerarbeit für diejenigen fördern, die nicht kurzfristig in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden können.“

Das fand wieder die Antragskommission unter Leitung von Generalsekretär Ronald Pofalla zu konkret. Hinter „Bürgerarbeit“ steckt eine Idee, die derzeit in einigen Orten in Sachsen-Anhalt mit Mitteln der Landesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit erprobt wird. Grob gesprochen sieht das Modell vor, dass Arbeitslose zu gemeinnütziger Tätigkeit herangezogen werden. Brakebusch, als ausgebildete Erzieherin und zeitweise Leiterin eines Kinderhorts einschlägig erfahren, findet den Ansatz richtig und die Ergebnisse überzeugend. „Es wäre eine Chance gewesen, dieses zukunftsweisende Konzept in unser Grundsatzprogramm aufzunehmen“, sagt sie. Aber schon aus den Beratungen der Programmkommission berichtete Landessozialminister Reiner Haseloff von Desinteresse. Der Parteitag lehnte Antrag A 185 ab.

Das ging weiteren Anträgen aus Sachsen-Anhalt ebenso. Brakebusch argwöhnt System dahinter: Die kleinen Verbände im Osten würden in der großen CDU gerne schon mal abfällig betrachtet: „Die paar Stimmen, die ihr bringt!“ Aber die Abgeordnete Brakebusch hat ihren Wahlkreis Oschersleben in der Magdeburger Börde mit 38 Prozent der SPD abgenommen; für sie sind das allemal Stimmen genug. „Ich bin meinen Wählern verantwortlich“, sagt sie. „Die erwarten von mir zu Recht, dass ich etwas für sie erreiche.“ Und wenn das nicht klappt, dann will sie wenigstens erhobenen Hauptes nach Hause fahren. Robert Birnbaum

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