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Politik: Rebellion ohne Rebellen

Aus dem SPD-Mitgliederbegehren wird kein Aufstand gegen Schröders Agenda 2010 – zu wenige Genossen machen mit

Der Briefträger im Münchner Stadtteil Oberanger hat dieser Tage mehr zu schleppen als sonst. Denn hier, im Haus der Landes-SPD, flattern Markus Grill täglich neue Listen des SPD-Mitgliederbegehrens auf den Tisch, mit dem der Landesgeschäftsführer der Bayern-Jusos und die anderen Initiatoren Gerhard Schröders Reformen stoppen wollen. Jeden Morgen warte er gespannt, wie viele Unterschriften denn diesmal dabei sind, erzählt Grill, dessen Büro sich längst zur zentralen Erfassungsstelle des sozialdemokratischen Basisprotests gewandelt hat. Doch bisher kam mit dem Postmann auch die Enttäuschung.

Gerade mal 11 000 Unterschriften sind bis jetzt eingegangen – obwohl das Begehren schon länger als einen Monat läuft. Der geplante Aufstand der Basis ist damit praktisch gescheitert. 67 000 Genossen müssten bis zum 11. Juli unterschreiben, erst dann könnte das Aufbegehren in die zweite Runde gehen: den Mitgliederentscheid.

Doch soweit wird es kaum kommen. Die ernüchternde Zwischenbilanz schwächt auch die weiteren Protest-Pläne der SPD-Linken. Mit einer stolzen Zahl an Unterschriften in der Tasche wollten sie am 1. Juni beim Sonderparteitag aufmarschieren, quasi als Beleg: Sehr her, die wahren Genossen wollen diese Politik nicht! Doch schon jetzt ist klar, dass die Basis weniger wütend ist, als die Initiatoren behauptet hatten. Nur eine Minderheit scheint bereit, Schröder in ernste Schwierigkeiten zu stürzen. Der Kanzler wird am 1. Juni wohl eine satte Mehrheit für seine Reformagenda 2010 bekommen.

Das ahnt inzwischen auch die Rebellen-Riege um Gallionsfigur Ottmar Schreiner – und schraubt die Ziele des Begehrens herunter. Dieses sei „jetzt schon ein Erfolg“, sagt Schreiner. Weil man die Einberufung des Parteitags erzwungen und eine breite Diskussion in der SPD losgetreten habe. Die Parteiführung beobachtet die neue Bescheidenheit der Rebellen inzwischen vergnügt. Die Zeit der Aufregung, als man sich im Willy-Brandt-Haus noch täglich nach den jüngsten Zahlen des Mitgliederbegehrens erkundigte, ist vorüber.

Markus Feldenkirchen

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