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Politik: Rechnen mit Gefühl

Der Teuro ist das Wort des Jahres – weil viele Deutsche 1 : 1 in Mark denken und erst später merken, wie teuer ihr Einkauf war

Es begann mit dem Trinkgeld. Eine Taxifahrt für 4,10? Keine Frage: „Geben Sie mir auf fünf heraus“. Hinterher war der Katzenjammer groß – über das Trinkgeld, das wieder einmal viel zu üppig ausgefallen war. Anfang des Jahres, als das Euro-Bargeld noch frisch und fremd war, rechneten wir Konsumenten in Mark, zahlten in Euro und dabei kräftig drauf.

Kein Wunder, dass viele Deutsche der neuen Währung nach wie vor nicht über den Weg trauen. 84 Prozent der Bundesbürger, hat das Marktforschungsinstitut GfK herausgefunden, rechnen die Preise auch heute noch in Mark und Pfennig um. „Jeder hat eine Geldsprache gelernt“, sagt Marketingleiter Twardawa – also ein Gefühl dafür, was billig und teuer ist. Die Geldsprache der Deutschen heißt Mark.

Wer sich in der ungewohnten Fremdsprache Euro bewegt, muss Lehrgeld zahlen – vor allem bei Spontankäufen. Denn ein Designer-Schokonikolaus für vier Mark mag ein nettes Mitbringsel sein, bei einem Preis von vier Euro sollte man aber über den Kauf noch einmal nachdenken. Wer das nicht tut und sich hinterher ärgert, schiebt dann gern dem „Teuro“ die Schuld in die Schuhe. Hatten sich die Verbraucher anfangs noch um die Starter-Kits mit den ersten Euro-Münzen gerissen, gilt der Euro heute als „Teuro“, der die Preise in die Höhe getrieben hat. Am Freitag kürte die Gesellschaft für Deutsche Sprache den „Teuro“ zum Wort des Jahres. Die „kreative Wortschöpfung“ bringe die Skepsis vieler Menschen gegenüber der neuen Währung ausgesprochen treffend zum Ausdruck, sagen die Sprachwissenschaftler.

Statistiker halten dagegen. „Unser Geld hat durch die Einführung des Euro nicht an Wert verloren“, versicherte ebenfalls am Freitag das Statistische Bundesamt. Gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank haben die Statistiker in den vergangenen anderthalb Jahren bei 18 000 Produkten untersucht, wie sich die Preise entwickelt haben. Ergebnis: Kinokarten, das Bier in der Kneipe und Friseurbesuche seien teurer geworden, Salami, Farbfernseher und Rahmspinat dagegen billiger.

Den Beteuerungen der Statistiker schenken die Leute jedoch keinen Glauben. Zwar sind viele Lebensmittel seit Jahresanfang wieder billiger geworden, doch die eigentlichen Preistreiber sind stur geblieben. Restaurants, Reinigungen und Autowäscher verlangen für ihre Dienste heute deutlich mehr als vor einem Jahr. Kein Wunder, dass die Kunden vorsichtig sind. „Stimmt so“ stimmt nämlich leider nicht mehr so.

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