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Politik: Rechnungshof rügt Luftwaffe

Behörde: Übungsplanungen unwirtschaftlich und Bombodrom überflüssig

Der Bundesrechnungshof fordert vom Verteidigungsministerium den Verzicht auf den seit 15 Jahren umstrittenen Luft/-Boden-Übungsplatz Bombodrom in Nordbrandenburg und eine komplette Überarbeitung des Übungskonzeptes der Luftwaffe. Das geht aus einem dem Tagesspiegel vorliegenden geheimen Bericht des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vom 21. November hervor. Nach Überzeugung des Rechnungshofes basieren sämtliche Argumente, mit denen die Bundeswehr den Bedarf für das 140 Quadratkilometer große Areal seit 1992 begründet, auf falschen oder völlig überholten Planungen. Gleiches gelte für das gesamte Übungskonzept der Luftwaffe. Der zusätzliche Übungsplatz bei Wittstock werde überhaupt nicht benötigt.

Bundeswehr und Verteidigungsministerium argumentieren seit 1992, die beiden westdeutschen Luft/Boden-Übungsplätze in Siegenburg und Nordhorn müssten entlasten werden, dafür benötige die Luftwaffe den Platz bei Wittstock. Engels schreibt an Lammert: „Seit der Forderung nach zusätzlichen Übungsmöglichkeiten für den Luft/Boden-Kampf im Jahre 1992 reduzierten die Bundeswehr und alliierte Streitkräfte ihre Kampfflugzeugflotten in Deutschland etwa um die Hälfte. Die tatsächliche Nutzung der inländischen Schießplätze durch die Luftwaffe ging bis zum Jahre 2004 um rund 86 Prozent zurück.“ Die Luftwaffe, schreibt Engels, laste daher seit Jahren ihre beiden deutschen Übungsplätze für Luft/Boden-Kampfeinsätze „nicht aus“: „Zuletzt flog sie nur noch ein Drittel der geplanten Übungen.“ Den Luft/Boden-Schießplatz in Siegenburg habe die Luftwaffe „im Jahre 2005 nur acht Stunden“ genutzt. Insgesamt seien 2005 lediglich 26 Prozent der verfügbaren Übungskapazitäten im In- und Ausland von der Luftwaffe genutzt worden. „Trotzdem hält sie daran fest, für rund 270 Millionen Euro ihre Übungsmöglichkeiten“ in Nordbrandenburg zu erweitern.

Auch nach Auswertung der Stellungnahmen des Verteidigungsministeriums bleiben die Prüfer daher bei ihrer Forderung: „Vor allem sollte das Bundesverteidigungsministerium auf die geplante Erweiterung der Übungsmöglichkeiten verzichten sowie ein realistisches, zukunftsorientiertes Ausbildungskonzept für den Luft/Boden-Kampf erarbeiten.“ Die Nutzungskonzepte der Luftwaffe für ihre Übungsplätze entsprächen „nicht mehr annähernd dem tatsächlichen Bedarf“. Seit 2001 seien entsprechende Planungen nicht mehr an die Realität angepasst worden.

Doch nicht nur die vom Verteidigungsministerium vorgelegten Übungsplatzplanungen sehen die Rechnungsprüfer kritisch – auch die den Wittstock-Planungen zugrunde liegenden taktischen Konzepte seien völlig überholt. So sei das so genannte Bombodrom für Übungen mit „ungelenkten Bomben“ eingeplant. Doch „ab dem Jahre 2015 werden die Kampfflugzeuge der Bundeswehr kaum noch mit ungelenkten Bomben bewaffnet sein, deren Einsatz auf Luft/Boden-Schießplätzen geübt werden müsste“. Angesichts des „heutigen und zukünftigen Ausrüstungs- und Aufgabenprofils der Kampfflugzeugflotten“ sei die aus dem Jahre 1992 stammende Forderung nach Erweiterung der Übungsmöglichkeiten um das Areal in Nordbrandenburg „nicht mehr begründbar“: „Mit den Geboten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ist sie nicht mehr begründbar.“ Nach Angaben des Verteidigungsministeriums sind allein seit 1997 rund 50 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt für das Bombodrom aufgewendet worden, darunter 30 Millionen Euro für Personalkosten. Rund zehn Millionen Euro wurden seit 1997 für den Bauunterhalt und fünf Millionen Euro für die Bewachung des Areals aufgewendet.

Das Militärgelände war früher von der sowjetischen Armee genutzt worden, die den Platz kurz nach der Wiedervereinigung schloss. Danach meldete die Bundeswehr ihren Anspruch an. Niederlagen des Verteidigungsministeriums vor Gericht verhinderten bisher die Inbetriebnahme des Platzes, den die Luftwaffe daher nur bewachen darf. 400 000 Euro kosteten bisher allein Gerichtsgutachten der Bundeswehr, die auf dem Areal an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern 1700 Tiefflug-Einsätze jährlich fliegen will.

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