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Politik: Recht und Macht gehören zusammen

Von Wolfgang Schäuble

Mit der Wahl des kleineren Übels haben sich meine beiden Koautoren im Zusammenhang mit der Debatte über das Folterverbot beschäftigt. Richard Schröder erinnert dabei an Dietrich Bonhoeffer, der sich für die illegale Tötung Hitlers entschieden habe. Diesem Vergleich kann ich beim besten Willen nicht folgen. Tyrannenmord ist Notwehr, und deren Rechtmäßigkeit steht außer Frage. Nicht umsonst hat auch das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 4 ein Widerstandsrecht ausdrücklich bestätigt, gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Beim Folterverbot geht es um anderes: Heiligt der Zweck jedes Mittel? Oder muss es Grenzen geben, Tabus, die unverfügbar bleiben?

Antje Vollmer argumentiert, dass mit rechtlichen Regeln Emotionen, Rachegelüste, Ohnmachtsgefühle gezähmt und eingehegt werden. Zorn macht blind. Aber nicht nur wegen der Emotionen, auch wegen der unendlichen Vielfalt von Interessen und Meinungen erfordert das Zusammenleben von Menschen immer Regeln. Allein die Regeln müssen auch durchgesetzt werden können. Deshalb sind Macht und Recht nicht einfach Gegensätze, sie bedingen einander.

Macht ohne Recht taugt nicht. Recht ermöglicht auch Akzeptanz. Schon Napoleon wurde von seinem Außenminister Talleyrand daran erinnert, dass man auf Bajonetten nicht gut sitze. Und Macchiavelli schrieb in „Der Fürst“: „Auch mit der stärksten Armee bedarf man der Neigung der Einwohner eines Landes, in das man eindringen will.“ Die Amerikaner dürfen es nicht vergessen.

Aber Recht ohne Macht taugt auch nicht. Da haben die Amerikaner Recht. Die Vereinten Nationen sind genau so stark wie die Mittel, die ihnen ihre Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. In der neuen Resolution des Weltsicherheitsrats zum Irak werden alle aufgefordert, Beiträge zur internationalen Stabilisierungstruppe zu leisten. Die deutsche Regierung hat das mit beschlossen und anschließend erklärt, dass man sich nicht beteiligen werde. Was soll man davon halten? Wer das Recht stärken will, muss sich daran halten, passiv und aktiv. Das gilt für Amerikaner und Europäer.

Goethe mahnte einst: „Ein Jeder kehr’ vor seiner Tür, und sauber ist das Stadtquartier.“ Vielleicht beschäftigen wir uns gelegentlich einmal nicht nur mit der Kritik an anderen, sondern auch damit, was wir selber besser machen könnten. Das könnte die transatlantische Partnerschaft stärken. Die Amerikaner haben derzeit zu lernen, dass sie mit unilateralen Entscheidungen ihre Ziele nicht wirklich erreichen. Und die Europäer müssen begreifen, dass sie zu gemeinsamer Sicherheit mehr beitragen sollten.

Dazu braucht es ein stärkeres und politisch einiges Europa. Aber die Beteiligung bei den Wahlen war so wenig erfreulich wie das Gefeilsche beim Gipfel der Regierungschefs in der Woche danach. Wie schön also, dass wir nicht nur auf bessere amerikanische Politik hoffen müssen, sondern dass wir auch selber noch sehr viel besser werden können. Wer selber etwas tun kann, braucht nicht zu resignieren.

Wolfgang Schäuble ist Mitglied des CDU-Präsidiums.

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