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Wohin? Die Niedersachsen-Wahl könnte zu einem Führungswechsel in der FDP führen – wenn die Partei dort verliert. Foto: Marijan Murat/dpa

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Politik: Recht unglücklich

Die niedersächsische FDP verurteilt die Turbulenzen um Rösler – vor allem Niebel muss Kritik einstecken.

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Das Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart ist vorüber und es bleibt für viele Liberale die Frage: Schadet der tagelange öffentliche Streit der Bundesspitze über den Verbleib von Parteichef Philipp Rösler in seinem Amt den Wahlkämpfern in Niedersachsen? Dort wird in zwei Wochen ein neuer Landtag gewählt, und die FDP muss nicht nur um den Verbleib in der Regierungsverantwortung zittern, sondern um den Verbleib im Landtag.

Fragt man die Betroffenen, dann wird rasch klar: Die Wahlkämpfer an der niedersächsischen Basis sind reichlich genervt. „Warum lässt man uns bis zur Landtagswahl nicht einfach in Ruhe?“, fragt Jens Meyburg, FDP-Direktkandidat im Wahlkreis Hannover-Mitte. „Ich bin zutiefst entsetzt über diese Führungsdiskussion. Die Debatte schadet der FDP massiv“, berichtet der 37-Jährige von den Reaktionen der Leute an den Info-Ständen. „Alle schütteln nur noch den Kopf“, meint auch der Landtagsabgeordnete Björn Försterling aus Wolfenbüttel und fordert das sofortige Ende der Personalquerelen. „Wir haben jetzt eine Landtagswahl zu gewinnen und müssen uns bis dahin alle am Riemen reißen.“

Bei mageren vier Prozent steht die Landes-FDP in den Umfragen, die derzeitige Regierungspartei wird jede Stimme brauchen für den Wiedereinzug in den Landtag. Die Liberalen um Spitzenkandidat und Umweltminister Stefan Birkner wollen neben den Sachthemen Schuldenabbau und bezahlbare Energiepreise vor allem mit dem guten Klima in der schwarz-gelben Koalition in Hannover punkten. Diese habe in den vergangenen zehn Jahren dem Land gutgetan; wer eine Fortsetzung des perfekt funktionierenden Bündnisses mit CDU-Ministerpräsident David McAllister wünsche und Rot-Grün verhindern wolle, müsse unbedingt FDP wählen, lautet die Formel. Der Dauerstreit in Berlin um den Bundesvorsitzenden Philipp Rösler, der selbst aus Niedersachsen stammt, verhagelt da natürlich das Kuschel-Konzept.

Tapfer versucht die Parteispitze, Auswirkungen auf den Wahlkampf zwischen Nordseeküste und Harz herunterzuspielen. „Bei dieser Wahl geht es nicht um Berlin, nicht um Philipp Rösler und nicht um Dirk Niebel“, sagt FDP-Generalsekretär Gero Hocker. „Es geht um unsere Mannschaft und unsere beiden Minister, es geht um unsere niedersächsischen Themen.“ Und genau dies würden die Bürger spüren und anerkennen.

Auf einen „Gewöhnungseffekt“ setzen altgediente FDP-Haudegen wie Landtagsvizepräsident Hans-Werner Schwarz. Führungsstreit in der Bundespartei sei ja schließlich nichts Neues. „Langsam sind die Niedersachsen abgestumpft", pflichtet der frühere Umweltminister Hans-Heinrich Sander bei, der in 44 Jahren als FDP-Mitglied alle Höhen und Tiefen seiner Partei erlebt hat. „Unsere Wähler wollen Ruhe in der Partei, und da sind sie weiter als mancher in der Partei selbst.“

Böse Worte über ihren angeschlagenen Chef in Berlin kommen den Wahlkämpfern dabei offiziell nicht über die Lippen. Man sei „hin- und hergerissen zwischen Abstand und Loyalität“ beschreibt ein Liberaler die innere Zwickmühle. Die Niedersachsen-FDP habe ihrem früheren Vorsitzenden und Wirtschaftsminister sehr viel zu verdanken; andererseits sei Röslers Agieren in Berlin derzeit alles andere als glücklich. So sei es nicht gerade hilfreich gewesen, dass er kurz vor Weihnachten ein „merkwürdiges Arbeitsmarktpapier rausgehauen“ habe (gemeint sind Röslers Vorstellungen zum wirtschaftspolitischen Kurs in diesem Jahr). Aber viel schlimmer sei es, jetzt kurz vor der Landtagswahl auf ihm herumzuhacken und damit die liberalen Chancen in knapp zwei Wochen zu gefährden.

„Die Stänkerer haben nur ihr eigenes Bundestagsmandat im Blick“, vermutet ein Landtagskollege als Motiv für die mangelnde Solidarität der Rösler-Gegner. „Denen ist doch Niedersachsen völlig egal.“ FDP-Kandidat Meyburg will seine Kritik auch Entwicklungsminister Dirk Niebel persönlich mitteilen. „Aber mit meiner Mail warte ich lieber noch einen Tag, sonst fällt die ziemlich unfreundlich aus.“

Der so gescholtene Dirk Niebel, Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, einem der größten Landesverbände der FDP, wird derweil heftig für seine offenen Worte in Stuttgart kritisiert. „Es zerreißt mich innerlich“, hatte Niebel geklagt und implizit gefordert, Rösler im Amt des Parteichefs abzulösen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte am Montag im Bayerischen Rundfunk, in der Politik zähle, was am besten für die Bürger sei, „und nicht, dass man seine Selbstbefindlichkeit darlegt“. Der Chef der Jungen Liberalen, Lasse Becker, sagte, Niebels „Ego-Trip“ gehe der Partei nur noch auf die Nerven.

Generalsekretär Patrick Döring und Fraktionschef Rainer Brüderle forderten ihre Partei auf, alle Kräfte auf die Wahl in zwei Wochen in Niedersachsen zu konzentrieren. „Wir sind ja alle nicht in einer Therapiegruppe, sondern in einer politischen Partei“, sagte Döring im ZDF. „Da werben wir für die Inhalte der FDP.“ Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Holger Zastrow aus Sachsen forderte alle auf, mal zwei Wochen lang „die Klappe“ zu halten. Nur so könne die niedersächsische FDP die Erfolge in den Vordergrund rücken.

Niebels eigener Landesverband in Baden-Württemberg stützt offensichtlich die Kritik seines Spitzenkandidaten zumindest inhaltlich. Niebel habe recht, hieß es in der Führung des Landesverbandes, die Frage einer neuen Mannschaftsaufstellung in Vorbereitung der Bundestagswahl müsse rasch geklärt werden – spätestens am 21. Januar, also am Tag nach der Landtagswahl in Hannover. Dass Niebel nicht früher – oder eben nach der Hannover-Wahl – mit seiner Kritik in die Öffentlichkeit gegangen sei, wird aber auch in Stuttgart als „nicht glücklich“ bezeichnet.

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