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Politik: Rechte Gewalt: 1994-1995

1994In der Nacht zum 28. Mai 1994 geraten Skinheads, die eine Wohnung in einem Haus in der Lützner Straße in Leipzig besetzt hatten, mit einem 43-jährigen Mieter in Streit.

1994

In der Nacht zum 28. Mai 1994 geraten Skinheads, die eine Wohnung in einem Haus in der Lützner Straße in Leipzig besetzt hatten, mit einem 43-jährigen Mieter in Streit. Sechs der Jugendlichen verprügeln und treten den Leipziger zu Tode. 1995 verurteilt das Leipziger Landgericht den 18-jährigen Hauptangeklagten wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverletzung zu fünf Jahren Haft. Die fünf Mittäter kommen mit niedrigeren Haft- und Bewährungsstrafen davon.

Am 23. Juli 1994 abends erwürgen drei Skinheads die 32-jährige Berlinerin Beate Fischer und legen sie an eine Mülltonne. Die Prostituierte ist den drei Männern zunächst freiwillig in eine Wohnung gefolgt. Dem Gericht zufolge hat die Frau dort freiwillig Sex mit allen, will aber nach einer Misshandlung gehen. Die Skinheads verhindern das und vergewaltigen die Frau mehrmals. Dann töten sie Beate Fischer. Das Gericht verhängt lebenslange Haft für den 21-Jährigen, neun und zehn Jahre Jugendstrafe für die Mittäter. Der Richter sagt in der Urteilsbegründung, die Neonazis "haben nach ihrer Wolfsmoral Sex als die Bühne ihrer Macht benutzt".In der Nacht zum 26. Juli 1994 ertrinkt in Berlin der polnische Bauarbeiter Jan W. in der Spree. Der 45-jährige und ein 36-jähriger Landsmann sind nach einem Streit mit einer Gruppe junger Deutscher ins Wasser getrieben und gewaltsam daran gehindert worden, ans Ufer zurück zu schwimmen. Eine Polizeistreife hörte die Rufe "Polacken, verpißt Euch" und "lasst den Polen nicht raus". Auf den Tod von Jan W. reagiert die Gruppe belustigt. Das Gericht kann keine ausländerfeindlichen Motive erkennen. Die Rufe hätten lediglich auf die "Ausländereigenschaft" der Opfer angespielt. Im Mai 1995 werden vier 19- bis 25-jährige Männer und zwei 16- und 17-jährige Mädchen wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung zu Bewährungsstrafen und Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren verurteilt.

Der Radfahrer Gunter Marx wird von vier Skinheads am 6. August 1994 nachts in Velten (Brandenburg) von seinem Fahrrad gestoßen und getreten. Die Rechten im Alter von 18 und 19 Jahren waren zu einem Raubzug aufgebrochen. Als Reaktion auf die Antwort ihres 42jährigen Opfers, er habe kein Geld dabei, erschlägt der 18jährige Maik L. mit einem schweren Schraubenschlüssel. Danach überfällt die Gruppe noch zwei weitere Opfer. Die Polizei findet bei einer Hausdurchsuchung des wegen Körperverletzung an einem Portugiesen mit Haftbefehl gesuchten Maik L., der im Jahr zuvor eine Russin überfallen hatte, u.a. einen Baseballschläger mit eingeritztem Hakenkreuz und der Aufschrift "Sieg Heil". Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich beim Tod von Gunter Marx um einen "normalen Raubmord" ohne rechte Motive. Im Mai 1995 wird Maik L. vom Landgericht Neuruppin wegen Mordes und Raub in drei Fällen zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt. Seine Mittäter erhalten wegen schweren Raub mit Todesfolge Jugendstrafen von zweieinhalb, viereinhalb und sechs Jahren.

1995

Der Obdachlose Horst Pulter wird in der Nacht zum 5. Februar 1995 im Stadtpark von Velbert (Nordrhein-Westfalen) erstochen. Eine siebenköpfige Gruppe von 16- bis 24-jährigen Rechtsextremisten will "Penner klatschen" und stößt auf den 65-Jährigen, der auf einer Parkbank schläft. Er wird durch Tritten verletzt. Zum Schluß versetzt der 22jährige Peter D. dem Obdachlosen einen tödlichen Messerstich. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal bezeichnet die Tat als "menschenverachtend und kaltblütig". Am "nationalsozialistischen Hintergrund" bestehe kein Zweifel. In den Wohnungen der Täter seien neben Hakenkreuzfahnen auch Fotos gefunden worden, auf denen sie mit dem "Hitlergruß" posieren. Das Opfer sei jedoch zufällig ausgewählt worden. Im November 1995 verurteilt das Jugendschöffengericht Mettmann sechs Angreifer wegen Körperverletzung zu Freiheits- und Bewährungsstrafen. Den Haupttäter Peter D. verurteilt das Schwurgericht Wuppertal im Dezember 1995 wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung vom Schwurgericht Wuppertal zu zehn Jahren Haft.

Bei einem Ausflug zu einem Stausee bei Hohenstein/Ernstthal (Sachsen) am 25. Mai 1995 wird der 24-jährige Bundeswehrsoldat Peter T. von Skinheads zusammengeschlagen. Das Opfer stirbt neun Tage später an seinen schweren Kopfverletzungen. Vor dem Angriff auf Peter T. hatte die etwa 20-köpfige Täterclique Pakistanis angegriffen. Das Landgericht Chemnitz verurteilte acht Angeklagte zu Strafen zwischen zehn Monaten auf Bewährung und drei Jahren zehn Monaten. Wer aus der Clique Peter T. getötet hat. ließ sich nicht ermitteln.

Der Homosexuelle Klaus-Peter Beer wird in der Nacht zum 7. September 1995 in Amberg (Bayern) von den Skinheads Richard L. und Dieter M. in die Vils geworfen und ertrinkt. Die Skinheads wollen dem 48-jährigen Opfer "einen Denkzettel verpassen". Das Landgericht Amberg verurteilt die Täter am 29. April 1998 in zweiter Instanz wegen Totschlags zu zwölf Jahren und acht Jahren Haft. Beide kommen aus rechtsradikalen Kreisen. In der Urteilsbegründung sagt der Richter, Scheußlichkeit und Menschenverachtung der Tat erinnerten an die düstersten Zeiten der deutschen Geschichte.

Diese Chronik wurde zusammengestellt von Karl-Hein

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