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Exklusiv

Politik: Rechte rufen nach Recht

Die Blockade des rechtsextremen Aufmarschs in Dresden hat in der Szene größere Irritationen ausgelöst. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, erwartet neue Provokationen und warnt vor einer "eskalierenden Wirkung" auf Demonstrationen am 1. Mai in Berlin.

Von Frank Jansen

Die Blockade des rechtsextremen Aufmarschs in Dresden hat in der Szene größere Irritationen ausgelöst. Auf einschlägigen Seiten im Internet wird heftig über die Niederlage vom 13. Februar diskutiert, die Stimmung schwankt zwischen Wut, Rachefantasien und halbwegs rationaler Manöverkritik. „Die BRD ist offenkundig nur noch die Karikatur eines Rechtsstaats“, giftet der Chef der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, Holger Apfel. Sein Pendant Udo Pastörs, Vorsitzender der NPD-Fraktion im Parlament von Mecklenburg-Vorpommern, orakelt sogar, „es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann die Polizei das erste Mal auf friedliche nationale Demonstranten schießen wird“. Ein anonymer Neonazi schreibt in Großbuchstaben, der Terror von links könne nur durch Terror von rechts gebrochen werden. Dagegen sinniert der Szene-Anführer Christian Worch über eine „Sternmarschlösung“, damit sich die Rechten „nicht mehr wie eine Hammelherde an einem einzelnen Ort einpferchen lassen“.

Die teilweise wüsten Debatten machen die Sicherheitsbehörden hellhörig. „Die emotionalen Reaktionen könnten dazu führen, dass sich in Teilen des Spektrums die Aggressivität erhöht“, warnt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Es könne sich eine „Jetzt-erst-recht-Stimmung“ entwickeln, die eine eskalierende Wirkung auf künftige Veranstaltungen haben würde. Fromm erwähnt den kommenden 1. Mai, an dem Neonazis in Berlin aufmarschieren wollen. Man könne auch nicht ausschließen, dass die Szene im Februar 2011 zum Jahrestag der alliierten Luftangriffe auf Dresden „eine Kraftprobe sucht“. Einen Verzicht auf die jährliche Demonstration in Dresden hält Fromm für unwahrscheinlich. „Das historische Thema Dresden bleibt wichtig, weil es die Szene an einem Tag zusammenbringt.“ Eher sei zu erwarten, dass sich die Anführer neue Aktionen überlegen, „auch andere Formen der Provokation“, sagt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Übereinstimmend betonen Fromm sowie Verfassungsschützer und Politiker in Ostdeutschland, die von bürgerlichen und linken Nazigegnern inszenierte Blockade der etwa 6000 Rechtsextremisten am Bahnhof Dresden-Neustadt sowie die große Menschenkette in der Dresdener Altstadt bedeuteten Rückenwind für die Zivilgesellschaft in den neuen Ländern. „In der Vergangenheit kam noch nie ein so deutliches Signal aus Dresden“, sagt Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Außerdem habe die Bevölkerung kein Verständnis für den Krawall von Neonazis, die aus Dresden kommend in Pirna Steine warfen. „Wir müssen nun den Schub von Dresden mitnehmen, um in die Regionen hineinzuwirken“, sagt Ulbig und erwähnt die Entwicklung eines neuen Aussteigerprogramms, mit pädagogischen Angeboten bis hin zu beruflicher Fortbildung.

Das in Dresden gezeigte Engagement der Nazi-Gegner „darf sich nicht nur auf Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene beschränken“, mahnt der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU). Als Vorbild nennt er die von ihm ins Leben gerufene „Initiative Wehrhafte Demokratie“. Gemeint ist der per Erlass eingeführte Demokratie-Check für Kandidaten, die Bürgermeister oder Landrat werden wollen. Wer als Verfassungsfeind auffällt, kann von der Wahl ausgeschlossen werden.

Indizien für eine erhebliche Schwächung der regionalen rechten Szenen durch das Debakel in Dresden sehen Verfassungsschützer in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg nicht. Der spontane Aufmarsch in Gera nach der Abreise aus Dresden werde von Thüringer Rechtsextremisten als Erfolg gewertet, berichtet der Nachrichtendienst in Erfurt. Die wütenden Neonazis hatten in Gera eine Polizeikette überrannt, verstärkte Einsatzkräfte nahmen mehr als 180 Randalierer fest. Und am Montag marschierten in Cottbus etwa 200 Rechtsextremisten, um an die Bombardierung der Stadt 1945 zu „erinnern“. Die Behörden hatten 50 Teilnehmer erwartet, die deutlich größere Zahl war offenbar eine Reaktion der Szene auf die Blockade in Dresden. Gerade die Neonazis würden sich jetzt noch stärker auf ihr örtliches Umfeld konzentrieren, sagt Brandenburgs Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber und warnt vor „Einschüchterungsstrategien“.

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