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Politik: Rechts ist die Grenze

Von Robert Birnbaum

Der Sieger der SaarlandWahl steht fest – nur gewonnen haben Peter Müller und die CDU nicht. Gewonnen haben andere. Familien-Partei heißen sie, NPD, PDS, Graue Panther, aber auch FDP und Grüne, nicht zu vergessen die größte unter ihnen: die Partei der Nichtwähler. Der Trend weg von den Volksparteien ist keine saarländische Spezialität. Er hat sich in allen Wahlen der jüngsten Zeit gezeigt. Er scheint unaufhaltsam. Und das in einem Land, in dem die Chiffre „Weimar“ bis heute für eine unselige Aufsplitterung der Demokraten steht. Ist auch die zweite deutsche Demokratie in Gefahr? Droht Weimar?

Bevor wir der Versuchung des Apokalyptischen leichthin erliegen, halten wir uns vorsichtshalber erst einmal an die Fakten. Die Verluste der SPD an der Saar sind offensichtlich. Aber auch die CDU hat Stimmen verloren: satte 45000, fast ein Fünftel weniger Wähler als 1999. Gewonnen – und zwar nicht nur nach Prozenten, sondern an realen Stimmen – haben alle anderen. Absolut stärkste Kraft sind die Nichtwähler. Das war vor fünf Jahren auch so, aber das Lager der Verweigerer ist um 100 000 Menschen größer geworden – etwa so viele, wie die SPD eingebüßt hat.

Manches an diesem Befund ist regionalspezifisch. CDU-Anhänger sind am sonnigen Sonntag ins Grüne gefahren, weil Müllers Sieg feststand. Der ominöse Aufstieg der Familien-Partei zur sechsten Kraft erklärt sich schlicht dadurch, dass die Gruppe ihre Wurzeln an der Saar hat und in der Kleinstadt St. Ingbert im Stadtrat sitzt. Am generellen Befund ändern solche Details nichts. Der alte bundesdeutsche Mechanismus der kommunizierenden Röhren ist außer Kraft. Von der Schwäche der einen Volkspartei profitiert nicht automatisch die andere. Die Unzufriedenheit kommt den Kleinen zugute, sei es direkt, sei es durch den mathematischen Effekt, dass geringe Wahlbeteiligung den Prozentgehalt jeder abgegebenen Stimme erhöht.

Das gängige Erklärungsmuster für dieses Wählerverhalten heißt „Protest“. Da ist ja auch etwas dran, besonders als Motiv für den Streik großer Teile der SPD- Wählerschaft gegen die eigene Partei. Protest erklärt auch die Zuwächse von Klientelparteien wie der Grauen – als Vertretung einer wachsenden Zahl von Älteren, die bei den Großen ihre Rente nicht mehr richtig sicher sieht. Protest steckt ganz bestimmt in den Zuwächsen der PDS und von Rechtsaußen-Parteien wie der NPD. Dass die Renaissance der Rechten stark von Jungwählern getragen wird, ist das beunruhigendste Signal. Da wächst eine Gruppe hoffnungsloser junger Menschen heran, die sich von der Gesellschaft ausgegrenzt sieht und mit Selbstausgrenzung antwortet.

Aber wie vorsichtig man damit sein muss, alles über den Protestleisten zu schlagen, zeigt der stete Aufschwung von Grünen und FDP. Beides sind ja Parteien, die auf ihre je unterschiedliche Weise weit reformfreudiger auftreten als die Großparteien. Ein Teil ihrer Erfolge hängt damit zusammen, dass beide diese Positionen ohne das schlechte Gewissen vertreten, mit dem die Volksparteien sich durch ihre Reformprogramme hindurchlavieren.

Und was folgt nun aus alledem? Weimar zwo? Gemach! Ja, die Leute gehen zu Zehntausenden gegen HartzIV auf die Straße und bleiben zu Hunderttausenden den Wahlen fern. Aber es sind, bei allem Respekt, nur Zehntausende. Gegen die Nachrüstung hatten eine Million demonstriert. Und in der wachsenden Nichtwählerzahl steckt für das Parteiensystem ja auch etwas Tröstliches. Sie streiken, gewiss – aber sie laufen eben nicht zu denen über, die Barrikaden bauen.

Noch nicht, muss man vielleicht trotzdem sagen. Die Kräfteverschiebung zu den Kleinen ist ein Warnsignal. Wer kleine Feuer ignoriert, riskiert größere Brandschäden. Die Volksparteien können viele der Resignierten und Zornigen zurückgewinnen. Das Rezept ist sogar relativ einfach: Die da oben müssen mehr auf die da unten hören und mehr mit denen da unten reden. Wähler honorieren den Eindruck, dass die da oben in etwa wissen, was sie tun. Und dass sie es für sie, die Menschen, tun, und nicht für sich, die Taktiker der Macht.

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