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Rechtsextremimus: Zwei bis drei braune Gewalttaten pro Tag

Die Bundesrepublik wurde auch in diesem Jahr wieder massiv von rechtsextremer Kriminalität heimgesucht. Es sei eine Gesamtzahl von „um die 20 000 Delikte“ zu erwarten, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke.

Von Frank Jansen

Berlin - Die Bundesrepublik wurde auch in diesem Jahr wieder massiv von rechtsextremer Kriminalität heimgesucht. Es sei eine Gesamtzahl von „um die 20 000 Delikte“ zu erwarten, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, am Donnerstag in Berlin. Er sprach von einer „ähnlich hohen Tendenz“ wie 2008. Im vergangenen Jahr hatte die Polizei bundesweit 20 422 rechte Straftaten registriert, das war ein deutlicher Anstieg gegenüber 2007 (17 607). Außerdem bleibe der Anteil der rechten Gewaltdelikte mit ungefähr sechs Prozent stabil, sagte Ziercke. Es würden in Deutschland „zwei bis drei rechte Gewalttaten pro Tag“ begangen. Und Ziercke verwies darauf, dass die Zahl der Todesopfer rechter Gewalt, die seit der Wiedervereinigung zu beklagen sind, seit 2008 um drei Fälle auf insgesamt 47 gestiegen sei. Recherchen von Tagesspiegel und „Frankfurter Rundschau“ ergaben indes schon 2003 eine Zahl von 99 Toten.

Mit dem Ausblick auf die Entwicklung rechter Kriminalität begann Ziercke die Vorstellung einer vom BKA in Auftrag gegebenen Studie zu „NPD-Wahlmobilisierung und politisch motivierter Gewalt“. Das umfangreiche Werk haben an der Technischen Universität Dresden der Vizedirektor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, Uwe Backes, und seine Mitarbeiter erstellt. Untersucht wurde für die Zeit von 2003 bis 2006 die Wechselwirkung zwischen Wahlerfolgen der NPD und Gewalt von Neonazis und anderen Rechtsextremisten – sowie den militanten Aktionen linker Nazigegner. Die Studie beschränkt sich auf Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Sachsen kann aber wegen der Wahlerfolge der NPD zumindest in Teilen als exemplarisch für Ostdeutschland gelten, Nordrhein-Westfalen ragt mit seinem Bevölkerungsreichtum im Westen hervor.

Ein wesentliches Ergebnis der Studie lautet: Das Ostland ist von der Auseinandersetzung zwischen Rechtsextremisten und Antifa deutlich stärker betroffen als das Westland. In Sachsen seien die rechte und die linke „Konfrontationsgewalt“ nach der Landtagswahl 2004 signifikant angestiegen, heißt es in dem Papier. Die NPD war in dem Jahr überraschend mit 9,2 Prozent ins sächsische Parlament eingezogen. In Nordrhein-Westfalen hingegen, wo die NPD bei der Landtagswahl 2005 über 0,9 Prozent nicht hinauskam, sei lediglich „ein leichter Anstieg des Gesamtaufkommens rechter Gewalt“ festgestellt worden. Und die Wahl hat sich laut Studie auch kaum auf die rechte und linke Konfrontationsgewalt ausgewirkt.

Die Autoren schreiben zudem, in Sachsen war nach „medialen Erregungswellen“ beim Thema Rechtsextremismus etwa einen Monat später „ein deutlicher Anstieg linker Gewalttaten feststellbar“. In Nordrhein-Westfalen sei dieser Zusammenhang jedoch nicht zu erkennen. Außerdem fiel in Sachsen auf, dass NPD und gewaltbereite Rechtsextremisten „häufig in den gleichen Räumen zu Hause sind“. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam der Berliner Verfassungsschutz, als er in einer Studie auch für die Jahre 2003 bis 2006 rechte Gewalt in der Stadt analysierte.

Die Zielrichtung rechter Gewalt habe sich in Sachsen deutlich verändert, steht in der Backes-Studie. „Die gegen politisch-weltanschauliche und lebensstilistische Feinde vorgetragene Konfrontationsgewalt hat die gegen Migranten und andere Minoritäten gerichtete Hassgewalt überflügelt“. In Nordrhein-Westfalen hingegen dominiere bei rechter Kriminalität die fremdenfeindliche Gewalt. Allerdings, darauf verwies auch Ziercke, wird auch im Westland der Rechts-links-Konflikt härter. Ein Beispiel war der Angriff „Autonomer Nationalisten“, die in ihrem militanten Auftreten die linken Autonomen kopieren, auf Gewerkschafter am 1. Mai 2009 in Dortmund.

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