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Politik: Rechtsextremismus: Erschreckend hohe Gewaltakzeptanz

Stimmen zum NPD-Verbot"Die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind hoch. Wenn es eine Möglichkeit gibt, einen Verbotsantrag zügig zu stellen, werden wir das natürlich tun.

Von Frank Jansen

Stimmen zum NPD-Verbot

"Die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot sind hoch. Wenn es eine Möglichkeit gibt, einen Verbotsantrag zügig zu stellen, werden wir das natürlich tun."

Herta Däubler-Gmelin (SPD), Bundesjustizministerin

"Ein Vorteil wäre, dass ein Verbot oder auch schon ein Verbotsantrag ein politisches Signal darstellt. In dem Sinne, dass der demokratische Staat alle Möglichkeiten ausschöpft, solchen Entwicklungen entgegenzutreten. Andererseits: Wenn das Bundesverfassungsgericht dem Antrag nicht stattgibt, wäre das für die NPD ein Persilschein."

Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz

"Ein NPD-Verbot löst keine Probleme: Politische Wirrköpferei kann man nicht verbieten."

Roland Koch (CDU), hessischer Ministerpräsident

"Das, was verschiedene Verfassungsschutzberichte über die Aktivitäten der NPD ausweisen, reicht mittlerweile aus, um zu einem erfolgreichen Verbotsantrag zu kommen."

Friedrich Merz, Unions-Fraktionschef

"Ich bezweifele, dass die verfassungsrechtlichen Argumente tragen. Eine Niederlage gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht wäre das Kontraproduktivste, was man sich einhandeln könnte."

Wolfgang Gerhardt, FDP-Bundesvorsitzender

Die Warnung lautet: Je mehr sich die Debatte über Strategien gegen Rechts auf ein Verbot der NPD verengt, desto stärker werden die Ursachen brauner Gewalt ausgeblendet. "Die jetzige Diskussion konzentriert sich unsinnigerweise auf den organisierten Rechtsextremismus", klagen die Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer und Richard Stöss. Es sei wichtiger, nach den Gründen für den Ansehensverlust der Demokratie zu fragen "als nach dem Verbot einer kleinen Partei mit 6000 Mitgliedern", sagt Professor Niedermayer.

Die beiden Experten vom Otto-Stammer-Zentrum der Freien Universität Berlin begründeten ihre Mahnung am Donnerstag mit jüngsten Ergebnissen einer Befragung von 2000 Berlinern und Brandenburgern ab 14 Jahren zu rechtsextremen Einstellungen. Erhoben wurden die Daten vom Meinungsforschungsinstitut Forsa, die Deutsche Paul- Lazarsfeld-Gesellschaft finanzierte die Studie. Das gravierendste Resultat: Mehr als ein Fünftel der Brandenburger und immerhin ein Achtel der Berliner Bevölkerung verfügen über ein rechtsextremes Weltbild.

Zum Vergleich: Die NPD kam bei der Landtagswahl in Brandenburg 1999 auf 0,7 Prozent, in Berlin waren es bei der Bundestagswahl 1998 nur 0,4 Prozent. Eher noch lässt sich das DVU-Ergebnis von 1999 in Brandenburg heranziehen - der Partei gelang mit 5,28 Prozent der Sprung in den Landtag. Doch Niedermayer und Stöss haben herausgefunden, dass in beiden Ländern ein weit größeres rechtsextremes Potenzial vorhanden ist. Und weiter wächst, wie der Vergleich zu einer Studie aus dem Jahr 1998 zeigt.

Während damals 19 Prozent der befragten Brandenburger Antworten gaben, die sie als rechtsextrem auswiesen, waren es diesmal 21 Prozent. Niedermayer und Stöss differenzierten auch nach Regionen: Unter den Befragten aus den Randgebieten Brandenburgs gaben sogar 22 Prozent eine rechtsextreme Einstellung zu erkennen. Im Speckgürtel um Berlin blieb es bei 21 Prozent.

In Berlin nahm das rechtsextreme Potenzial ebenfalls zu, von elf auf zwölf Prozent. Während im Westteil der Stadt eine leichte Abnahme von zwölf auf elf Prozent feststellbar war, präsentieren sich die Befragten aus den östlichen Bezirken genau andersherum: Hier wuchs das rechtsextreme Potenzial von elf auf zwölf Prozent.

Sechs Kern-Aussagen wurden den Befragten vorgelegt. Sie sollten ihre Meinung in eine siebenstufige Skala mit Antworten von "stimmt überhaupt nicht" bis "stimmt völlig" einordnen. Die meiste Zustimmung, vor allem bei den Brandenburgern, fanden autoritäre und nationalistische Aussagen. Antijüdische Statements kamen nicht so gut an.

Der Aussage "Wer seine Kinder zu anständigen Bürgern erziehen will, muss von ihnen vor allem Gehorsam und Disziplin verlangen" stimmten 52 Prozent der Befragten aus Brandenburg zu. Unter den Berlinern waren es 37 Prozent (West) und 41 Prozent (Ost). Sogar 54 Prozent der Brandenburger fanden, "Deutschland sollte wieder eine führende Rolle in der Welt übernehmen" (Berlin: 35 Prozent). Auch dem Statement "Bei der Einstellung von Arbeitskräften sollten Deutsche grundsätzlich Ausländern vorgezogen werden" konnten 48 Prozent der Brandenburger beipflichten. Bei den Berlinern gingen die Zahlen auseinander: Nur 26 Prozent der Befragten aus dem Westteil stimmten zu, aber 35 Prozent der Ostler.

Der rabiater klingenden Aussage "Ausländer sollten so schnell wie möglich Deutschland verlassen" konnten sich indes "nur" 15 Prozent der Brandenburger und zehn Prozent der Berliner anschließen. Auf das Statement "Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute als großen Staatsmann ansehen" reagierten positiv acht Prozent der Befragten aus Brandenburg und sechs Prozent der Berliner. Der Aussage "Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns" stimmten jeweils neun Prozent der Berliner und Brandenburger zu.

Mit ihrer Studie korrigieren Niedermayer und Stöss auch populäre Fehlurteile. "Frauen neigen nicht weniger zum Rechtsextremismus als Männer", konstatieren die Forscher. Außerdem nähmen rechtsextreme Einstellungen mit wachsendem Alter zu. So gaben sich 30 Prozent der Brandenburger Rentner unter den befragten Personen als rechtsextrem aus (Berlin: 16 Prozent). Bei den 18- bis 24-Jährigen waren es 16 Prozent der Brandenburger und acht Prozent der Berliner. Erschreckend empfanden Niedermayer und Stöss die relativ hohe "Gewaltakzeptanz". Von den rechtsextremen Brandenburgern stimmten 18 Prozent der Aussage zu, "Anschläge auf Asylbewerberheime kann ich gut verstehen". Bei den gleichgesinnten Berlinern waren es mit 16 Prozent kaum weniger.

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