zum Hauptinhalt

Politik: Rechtsextremismus: Gewalt wird mit zweierlei Maß gemessen (Gastkommentar)

Zunächst ein paar Feststellungen, die der Gewichtung des Themas dienen1. Gewalt gegen Sachen und Menschen ist stets eine Straftat, oft ein Verbrechen.

Zunächst ein paar Feststellungen, die der Gewichtung des Themas dienen

1. Gewalt gegen Sachen und Menschen ist stets eine Straftat, oft ein Verbrechen. Straftaten müssen angemessen bestraft werden. Prinzipiell ist Gewalt von Rechts nicht anders zu bewerten, als die von Links oder aus der Mitte oder ohne ideologischen Standort. Gewalt ist Gewalt. Natürlich wird die Motivation bei einer Straftat immer eine gewisse Rolle spielen. Jemand, der aus niederen sexuellen Motiven ein Kind tötet, gilt als besonders belastet. Aber es darf nicht zu einer Gesinnungsjustiz kommen. Bei Straftaten gegen Ausländer gibt es eine Art Generalverdacht gegen Rechts. Dies ist deshalb so auffallend, weil Straftaten, die von Ausländern verübt werden, in der Berichterstattung betont zurückhaltend behandelt werden. Es gibt Absprachen in Redaktionen, in solchen Fällen Namen und Nationalität zu verschweigen. Warum wird mit zweierlei Maß gemessen?

2. Die Statistik der letzten Jahre macht deutlich, dass es einen dramatischen Anstieg von Straftaten "Rechter" gegen Ausländer nicht gibt. Für die derzeitige - die wie vielte? - Dramatisierung gibt es also keine objektive Veranlassung. Gewiss ist jede dieser Gewalttaten eine zu viel. Aber von einem ungewöhnlichen Anstieg kann nicht die Rede sein.

3. Mit Relativierungen muss man stets vorsichtig sein. Dennoch: Auch in Frankreich, England und Spanien werden Straftaten gegen Ausländer begangen - die Motive sind vergleichbar, die Zahlen auch. "Ist allerdings Deutschland davon betroffen, bekommt die Sache einen noch unheilvolleren Aspekt. Dort lastet die Geschichte mehr auf der Gegenwart als irgendwo anders", meint "La Repubblica". Deutschland bildet jedenfalls keine negative Ausnahme in Europa. Wo vergleichbare Strukturen existieren, gibt es vergleichbare Probleme. Eine positive Ausnahme ist - man lese und staune - Österreich: Dort sind ausländerfeindliche Straftaten weitgehend unbekannt. Da liegt die Frage nahe: trotz oder wegen Haider? Ich denke: auch wegen der FPÖ. Rechts von der ÖVP existiert eine legitimierte Partei, die Ausländerthemen nicht tabuisiert, sondern behandelt. Hinzu kommt, dass die FPÖ Regierungsverantwortung trägt. Schlimm? Durchaus nicht! Verantwortung diszipliniert und mäßigt. Zum Beispiel auch die Grün-Alternativen: Ziel ihrer teilweise gewalttätigen Aktionen waren zwar nicht Ausländer, sondern die Polizei, der Staat und Vertreter der Wirtschaft. Und einer von ihnen - Joseph Fischer -, der solche Gewalt mobilisierte und rechtfertigte, gibt heute gute Ratschläge gegen Rechts und äußert Empörung. Sagt jemand, dass er heuchelt? Die Einbeziehung in die Verantwortung hat ihn und seine Partei zahm werden lassen.

Wenn es Gewalt gibt, darf man nach dem harten Staat rufen und, wo sinnvoll, verschärfte Gesetze verlangen. Man muss aber auch fragen, was die Ursachen sind, wenn junge Menschen den Weg der Gewalt gehen. Es kann kaum einen Zweifel geben, dass zwischen Ausländerzuzug und Arbeitslosigkeit ein Zusammenhang besteht. Die Regierung Schmidt verfügte 1973 einen Anwerbestopp, weil es zu großer Arbeitslosigkeit kam. Haben wir vielleicht doch zu viele und nicht die richtigen Ausländer hereingelassen? Mit Green oder Blue Cards versucht man jetzt die Richtigen zu holen, die eigenen Arbeitslosen wurden nicht entsprechend ausgebildet. Neuerdings heißt es, man müsse die Ausländerpolitik stärker an deutschen Interessen orientieren. Japan hat fast keine Ausländer aufgenommen und schon gar keine aus fremden Kulturkreisen. Deshalb hat Japan keine derartigen Probleme. Wer durch Masseneinwanderung ein Multi-Kulti-Land ins Leben rufen will, der muss wissen, welche Probleme das mit sich bringt. Multikulturelle Gesellschaften sind latente Konfliktgesellschaften. Die Zahl der Zuwanderer sollte nicht höher sein, als der Arbeitsmarkt verkraften kann.

Die Ausländerfeindlichkeit in den neuen Ländern ist besonders hoch. Das hat sicher auch, wie Sachsens Ausländerbeauftragter meint, mit der "Bindungslosigkeit" der jungen Menschen zu tun. Sie ist das Produkt einer autoritären Gesellschaft. Im Westen haben sich Menschen jahrzehntelang an den Umgang mit Freunden gewöhnen können - zu einer Zeit, als Arbeitslosigkeit kein Problem war. Man holte die Gastarbeiter, als man mehr Arbeit als Arbeiter hatte. In den neuen Ländern kommt die Begegnung plötzlich. Und die Fremden sind primär keine Gastarbeiter, sondern "arbeitslose" Asylbewerber und Flüchtlinge.

Das Ursachengeflecht ist komplex. Die Reaktion des Staates muss es auch sein: von der Schule und der Wertevermittlung bis zu Polizei und Strafverfolgung. Auch über Parteienverbote kann man reden.

Es gibt Gewalttaten gegen Ausländer. Deshalb haben wir ein Problem. Aber ich schäme mich nicht mit Herrn Thierse für dieses Land. Mehr als viele andere hat es Ausländern Arbeit und Überlebenschancen gegeben. Und es scheint für Ausländer immer noch beliebt zu sein. Deshalb bin ich stolz auf dieses Land und seine Menschen. Bin ich nun ein Ausländerfeind?

Heinrich Lummer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false