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Reicht die Materialsammlung der Verfassungsschutzbehörden für ein erfolgreiches Verbotsverfahren gegen die NPD?

© dpa

Update

Rechtsextremismus: Henkel fordert "mehr Mut" für neues NPD-Verbotsverfahren

Berlins Innensenator Henkel macht sich für ein neues NPD-Verbotsverfahren stark, doch andere Unions-Innenminister zögern. In den mehr als 1000 Seiten mit belastenden Belegen zur NPD wurde auch der Beitrag eines bezahlten Spitzels entdeckt.

Von Frank Jansen

Am Rande des Treffens von Innenministern der Union in Celle, Niedersachsen, wurde bekannt, dass in der Sammlung von belastendem Material über die NPD offenbar doch noch Informationen von V-Leuten stecken. Ein SPD-geführtes Bundesland habe mehrere Dutzend Seiten zurückziehen müssen, da sie sich auf die Angaben eines bezahlten Spitzels stützten, hieß es. Die Länder hatten zuvor alle versichert, das Material sei „quellenfrei“. Bislang weigern sich aber die meisten Innenminister, mit ihrer Unterschrift zu testieren, dass aus ihrem Land keine Belege mit Aussagen von V-Leuten geliefert wurden.

Auf dem Treffen blieben die Innenminister der Union weiterhin uneinig, ob ein zweites Verbotsverfahren gegen die NPD angestrebt werden soll. Die von den Befürwortern in CDU und CSU erhoffte Vorentscheidung blieb am Mittwoch und Donnerstag aus. Der als Skeptiker bekannte Innenminister des gastgebenden Landes, Uwe Schünemann, warnte am Donnerstag, in der Öffentlichkeit werde ein Verbotsverfahren derzeit „zu pointiert diskutiert“. Das helfe einer am Boden liegenden NPD, in die Schlagzeilen zu kommen, sagte Schünemann und verwies auf die äußerst schwachen Wahlergebnisse der rechtsextremen Partei in Westdeutschland.

Der ebenfalls skeptische Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betonte, man lasse sich auch von der NPD „weder bremsen noch treiben“. Die Partei hatte am Mittwoch beim Bundesverfassungsgericht beantragt, ihr die Verfassungstreue zu bescheinigen. Friedrich monierte, die SPD sei mit ihrer Forderung, nun möglichst schnell mit einem Verbotsverfahren zu reagieren, „der NPD auf den Leim gegangen“.

Die Ministerrunde konnte sich nur darauf verständigen, dass die Bewertung der von den Verfassungsschutzbehörden erstellten, mehr als 1000 Seiten umfassenden Materialsammlung für ein mögliches Verfahren bis zum entscheidenden Termin im Dezember fortgesetzt werden soll. Am 5. Dezember kommen im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) alle Ressortchefs von Union und SPD in Rostock zusammen.

"Erhebliche prozessuale Bedenken" gegen ein Verbotsverfahren äußerte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), der in Celle dabei war. Es sei nicht auszuschließen, dass die NPD "uns aufs Glatteis führt mit der Behauptung, das Material gegen sie sei nicht quellenfrei", sagte Bosbach dem Tagesspiegel. Er würde heute nicht noch einmal, wie vor zwölf Jahren, im Bundestag für einen Verbotsantrag stimmen.

Zur Not würde der Bundesrat auch alleine beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot beantragen, betonte dann der IMK-Vorsitzende Lorenz Caffier (CDU), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, nach dem Treffen.

Caffier glaubt auch, dass die skeptischen Innenminister – das betrifft Niedersachsen, Hessen und das Saarland – von ihren Ministerpräsidenten gedrängt würden, sich bis zum Dezember für ein Verbotsverfahren zu entscheiden. „Ober sticht unter“, sagte Caffier. Gleich nach der Tagung der IMK, am 6. Dezember, wollen die Regierungschefs in Berlin eine Entscheidung zum Verbotsverfahren bekannt geben. Die Mehrheit der Ministerpräsidenten ist für einen neuen Anlauf in Karlsruhe.

Einig waren sich die Innenminister der Union in Celle, dass eine umfassende Datei für Polizei und Verfassungsschutz auch für den „Phänomenbereich“ Linksextremismus nötig sei. Bislang gibt es solche Dateien zur islamistischen Terrorszene und zu gewaltorientierten Rechtsextremisten. Beim Bundesverfassungsgericht ist allerdings eine Klage gegen die Antiterrordatei anhängig.

Aus Sicht der Minister muss zudem die Ausweisung militanter Salafisten ausländischer Herkunft erleichtert werden. Entsprechende Vorschläge würden beim IMK-Treffen im Dezember vorgelegt, sagte Bundesinnenminister Friedrich.    

Nach dem Treffen beschwor Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) die Skeptiker, beim Thema NPD-Verbot mehr Mut zu zeigen.  „Natürlich können wir die juristischen Risiken nicht einfach vom Tisch wischen“, sagte Henkel dem Tagesspiegel, „aber wenn es Erfolgsaussichten gibt, dann müssen wir bereit sein, auch Risiken einzugehen“. Er wolle sich „jedenfalls später nicht dem Vorwurf aussetzen, dass wir uns nicht getraut haben, als es darauf ankam." Natürlich könnte ein neuerliches Scheitern die NPD aufwerten, sagte der Senator. „Aber auch mangelnde Entschlossenheit gegenüber Verfassungsgegnern kann uns als Schwäche ausgelegt werden."

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