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Aus Angst vor einem Verbotsverfahren zieht die NPD nun selbst vor das Bundesverfassungsgericht.

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Update

Rechtsextremismus: PR-Gag: NPD zieht vors Bundesverfassungsgericht

Die NPD will ihre Verfassungsmäßigkeit mit einem Gang nach Karlsruhe bestätigen lassen. Der juristisch ausweglose Schritt löst Kopfschütteln aus - und könnte als reiner Propagandacoup angelegt sein.

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Angesichts eines möglichen neuen Verbotsverfahrens wagt die rechtsextreme NPD selbst den Gang nach Karlsruhe. Die Partei will vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe feststellen lassen, dass sie sich politisch im Rahmen der Verfassung bewege und deshalb nicht verboten werden könne. Ein entsprechender Antrag sei bei dem obersten deutschen Gericht eingegangen, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag.

Die NPD will in Karlsruhe nach Angaben ihrer Internetseite auch feststellen lassen, dass ihre Rechte verletzt werden, wenn Gegner sie als verfassungswidrig darstellen, ohne einen Verbotsantrag zu stellen. Hintergrund ihres Vorgehens dürften die Überlegungen der Innenminister von Bund und Ländern zu einem neuen NPD-Verbot sein. Darüber wollen sie Anfang Dezember entscheiden.

Das Gericht sieht sich nun mit einem in seiner Geschichte einzigartigen Antrag konfrontiert. Es wird dem Sprecher zufolge die Zulässigkeit und Begründetheit des NPD-Antrags prüfen. Wie lange das dauern wird, sei derzeit noch völlig offen.

Ihren Antrag begründet die NPD mit Artikel 19 des Grundgesetzes, wonach jedem der Rechtsweg offensteht, der „durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt“ wird. Der NPD-Vorsitzende Holger Apfel kündigte an, dass seine Partei den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen werde, falls Karlsruhe den Antrag zurückweise.

Politiker billigten dem NPD-Antrag keine großen Aussichten auf Erfolg zu. Der Vorstoß der NPD in Karlsruhe sei aussichtslos und ein reiner Propagandacoup, sagte Wolfgang Wieland, Obmann der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages und ehemaliger Berliner Justizsenator am Mittwoch in Wiesbaden am Rande der Herbsttagung des Bundeskriminalamts zum Thema Rechtsextremismus. Einen Antrag auf Bescheinigung von Verfassungstreue zu stellen, bevor überhaupt ein Verbotsverfahren begonnen habe, "geht nicht". Die NPD müsse es aushalten, dass diskutiert werde, ob sie verfassungsfeindlich sei. 

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei) mahnte, man solle die NPD nicht wichtiger machen als sie sei. Der Auftritt der NPD sei allerdings auch eine Folge der "kostenlosen Werbeveranstaltung" für sie, die vor allem Politiker der Union mit der endlos erscheinenden Verbotsdebatte betrieben.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sagte am Mittwoch im rbb-Inforadio: „Man sollte sich nach diesem PR-Schachzug der NPD nicht zu übereilten Schritten verleiten lassen und danach krachend verlieren.“ Dies wäre „ein Propagandasieg der NPD, und den sollten wir ihr nicht gönnen“, sagte Beck. Die NPD werde zurecht als verfassungsfeindlich eingeschätzt, betonte der Grünen-Politiker. Gleichwohl bleibe die Frage offen, ob die Hürden für ein NPD-Verbotsverfahren genommen werden könnten. „Letztlich wird bei einem Verbotsverfahren geklärt werden müssen, ob die NPD in der Lage ist, aktuell unsere Demokratie zu gefährden. Und das ist eine Frage, die nicht so einfach zu bejahen ist“, sagte Beck.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger sieht in dem NPD-Antrag „den durchsichtigen und dreisten Versuch, die Öffentlichkeit zu täuschen“, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger den Zeitungen der WAZ-Gruppe.

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann nahm den NPD-Antrag zum Anlass, eine schnelle Entscheidung über ein neues Verbotsverfahren zu fordern. Bund und Länder dürften „der NPD nicht die Initiative überlassen“, sagte Oppermann den WAZ-Zeitungen. Die Länder seien sich einig, nur Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zögere immer noch.

Nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums wird der NPD-Antrag keinen Einfluss auf die Vorbereitung eines Verbotsverfahren haben. „Wir haben einen festen Zeitplan und halten uns daran“, sagte ein Ministeriumssprecher. Friedrich hatte zuvor in Wiesbaden die Pläne bekräftigt, vor Jahresende über ein neuerliches Verbotsverfahren zu entscheiden.

Eine Partei kann in Deutschland nur dann verboten werden, wenn sie eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt und diese nachweisbar in aktiv-kämpferischer Weise umsetzen will. Aussprechen kann ein Verbot nur das Bundesverfassungsgericht, und das nur auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will keine amtlichen Informationen zu den Chancen eines NPD-Verbotsverfahrens seit Aufdeckung des NSU-Terrors mitteilen. „Ein öffentliches Bekanntwerden der Informationen würde eine notwendig vertraulich zu erarbeitende Prozessstrategie für ein gegebenenfalls in nächster Zeit zu führendes Gerichtsverfahren erheblich beeinträchtigen“, teilte das Innenministerium mit. Die Regierung müsse die juristischen Aspekte bewerten und gewichten. Öffentlichkeit gefährde ein späteres Verfahren vor dem Verfassungsgericht. Der Tagesspiegel hatte Einsicht in die Gutachten nach dem Informationsfreiheitsgesetz verlangt. Dabei ging es insbesondere auch um Risiken, die sich aus einer möglichen Kontrolle des Verbots durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ergeben könnten. (mit AFP/dpa)

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