zum Hauptinhalt
Rechte

© ddp

Rechtsextremismus: Wegschauen mit Methode?

Sachsen-Anhalt: Ein neuer Ausschuss soll Versäumnisse der Polizei beim Kampf gegen rechte Kriminalität aufklären. Das Fehlverhalten der Ordnungshüter hat sich in bedenklicher Weise gehäuft.

Von Frank Jansen

Es dauerte nur 50 Minuten, dann war der zehnte Untersuchungsausschuss in der Geschichte des Landtags von Sachsen-Anhalt eingesetzt. Die sich häufenden Versäumnisse der Polizei in der Bekämpfung rechtsextremer Kriminalität werden nun Punkt für Punkt unter die Lupe genommen – und vermutlich strenger, als es bislang im Innenausschuss des Landtags geschah. Sechs Vorfälle sollen durchleuchtet werden: von der Anregung des Vizechefs der Polizeidirektion Dessau an untergebene Staatsschützer, die Ermittlungen gegen rechte Straftäter zu bremsen, bis zum Versagen der Polizei beim Neonazi-Überfall auf Schauspieler in Halberstadt. Möglicherweise kommt noch ein siebter Fall hinzu – nach Recherchen des Tagesspiegel hatte die Polizei im April einen Hinweis aus der Bevölkerung auf Schießübungen von Rechtsextremisten in einem Wald bei Wittenberg in einem Vermerk ad acta gelegt.

Es müsse jedem Verdacht nachgegangen werden, dass Verantwortliche oder Bedienstete in der Polizei oder auch im Innenministerium rechtsextremistischen Tendenzen und Straftaten „nicht mit aller Entschiedenheit begegnen“, sagte die Abgeordnete der Linksfraktion, Gudrun Tiedge, am Donnerstag in der Debatte über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Die Linksfraktion, die den Ausschuss beantragt hatte, setzte sich bei der Abstimmung erwartungsgemäß durch. Die 26 Abgeordneten der Linksfraktion stimmten mit ja, die Fraktionen von CDU, SPD und auch der oppositionellen FDP enthielten sich. Da ein Viertel der 97 Abgeordneten des Landtags für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses reicht, war die Linksfraktion nicht aufzuhalten. In der Debatte warnte allerdings CDU-Fraktionschef Jürgen Scharf, die Linke werde die Polizei „unter Generalverdacht stellen“. Nach Ansicht der Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Katrin Budde, hätte der Innenausschuss die Aufklärung der Vorfälle bei der Polizei weiterführen können. Ähnlich äußerte sich der FDP-Abgeordnete Guido Kosmehl.

Nach dem Willen der Linksfraktion soll der Ausschuss unter anderem die drei ehemaligen Staatsschützer der Polizeidirektion Dessau befragen, die sich Anfang des Jahres dem Drängen des damaligen Vizechefs der Behörde auf eine langsame Bearbeitung rechter Straftaten nicht beugen wollten. Im zweiten Fall geht es ebenfalls um einen hochrangigen Polizisten der Direktion Dessau. Der Beamte hatte im September 2006 einen Mitarbeiter des vom Bund geförderten Civitas-Programms angezeigt. Der Nazi-Gegner hatte bei einer Veranstaltung ein Foto gezeigt, auf dem ein NPD-Mann zu sehen ist, der für den Bundestag kandidiert hatte. Der Polizist sah jedoch einen Verstoß gegen das Kunsturheberrecht. Das Verfahren wurde inzwischen eingestellt.

Fall drei: Pfingstsamstag 2005 traf die Polizei bei einem Neonazi-Treffen am Bergwitzsee einen Beamten an, der als Spezialist für IT-Sicherheit an einer höchst sensiblen Schaltstelle der Sicherheitsbehörden von Sachsen-Anhalt beschäftigt ist – bis heute.

Fall vier: Im Sommer 2006 wurde in Bernburg ein afrikanischer Asylbewerber von Neonazis bedroht und später von einer Frau mit Steinen beworfen. In beiden Fällen nahm die Polizei keine Anzeige auf.

Fall fünf: Im Juni schlugen Neonazis am Rande eines Fußballturniers in Wittenberg einen jungen Deutschafrikaner und dessen Begleiter. Die Opfer werfen der Polizei vor, sie sei Hinweisen auf die Gewalttäter nicht nachgegangen.

Im sechsten Fall geht es um Halberstadt. Dort hatte die Polizei im Juni Neonazis laufen lassen, die Schauspieler angegriffen hatten.

Landesinnenminister Holger Hövelmann äußerte sich am Donnerstag nur knapp. Innenministerium und Polizei würden die Arbeit des Untersuchungsausschusses „konstruktiv unterstützen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false