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Politik: Rechtsextremismus: Willkommene Gäste - und weniger willkommene (Kommentar)

Rassismus und Fremdenhass gibt es nicht nur bei einzelnen Jugendlichen. Die Ablehnung von Menschen anderer Hautfarben, Religionen und Kulturen ist in einem großen Teil der Bevölkerung zu finden.

Rassismus und Fremdenhass gibt es nicht nur bei einzelnen Jugendlichen. Die Ablehnung von Menschen anderer Hautfarben, Religionen und Kulturen ist in einem großen Teil der Bevölkerung zu finden. Die latente Ausländerfeindlichkeit ist nicht so offensichtlich, denn diese Bürgerinnen und Bürger begehen keine Straftaten. Aber sie unternehmen auch nichts gegen den Trend. Sie wollen selber keine Fremden in ihrer Umgebung haben.

Der gemeinnützige Verein der Freunde der Jugendinitiative Weltausstellung 2000 lädt unter der Schirmherrschaft von Christina Rau, der Frau des Bundespräsidenten, weltweit Tausende junger Menschen zwischen 16 und 26 Jahren ein, damit sie Deutschland kennen lernen und sich mit deutschen Jugendlichen austauschen. Das soll Berührungsängste abbauen. Mehr als 30 000 Jugendliche aus allen Teilen der Welt haben sich bereits angemeldet und werden während der Dauer der Expo bis Ende Oktober für zwei bis sechs Wochen in deutschen Gastfamilien wohnen. Sie hospitieren in Firmen, besuchen die Expo, besichtigen Berlin. Das Projekt wird ausschließlich durch Spenden und Sponsoring getragen.

Das Interesse ausländischer Jugendlicher an Deutschland ist sehr groß. Die von Partnerorganisationen ausgewählten jungen Menschen beschäftigen sich teilweise seit Jahren mit der deutschen Sprache und Kultur, besuchen in ihrem Land Kurse der Goethe-Institute, studieren Germanistik oder gehen auf eine deutsche Schule.

Doch nicht alle sind voller Vorfreude auf unser Land; junge Menschen aus Afrika, Asien und Lateinamerika haben wegen ihrer Hautfarbe zum Teil Angst vor ausländerfeindlichen Übergriffen. Ihre Eltern fragen uns, ob man es wirklich riskieren könne, den Sohn oder die Tochter nach Deutschland zu schicken. Mich machen solche Fragen sehr betroffen, doch nach den sich häufenden Vorfällen in Deutschland, sind diese Ängste nachvollziehbar.

Die fremdenfeindliche Grundstimmung spiegelt sich auch in den Wünschen einiger Gastgeber wider. Einige wollen von vorne herein nur "jemanden aus dem Norden" oder nur "EU-Ausländer". Andere, die zuerst keine Einschränkungen gemacht hatten, möchten plötzlich, wenn ein konkreter Gast vorgeschlagen wird, niemanden aus Ländern wie Jugoslawien, Rumänien, Russland, Tansania, Togo oder der Türkei haben.

Es ist überhaupt schwer in Deutschland, Gastfamilien zu finden. Vorurteile, Berührungsängste sowie die Ablehnung des Fremden und Unbekannten sind der Hauptgrund. Es gibt nur wenig Bereitschaft, sich auf andere einzustellen, andere Sitten und Kulturen im direkten Umgang mit den Menschen kennen zu lernen, und es gibt viel zu wenige, die erkennen, wie viel sie selber von solchen Begegnungen profitieren können. Wenn jeder, der etwas gegen die Ausländerfeindlichkeit in unserem Land unternehmen will und die räumlichen und finanziellen Möglichkeiten dazu hat, einen jungen Gast bei sich aufnähme, würden wir mehr erreichen als mit schönen Worten, Demonstrationen, Diskussionen und Absichtserklärungen.

Die Wirtschaft hält sich ebenfalls zurück. Alle von uns angesprochenen Unternehmen finden das Projekt gut und meinen, dass mehr für Völkerverständigung getan werden müsse. Sie beklagen, dass die ausländerfeindlichen Übergriffe dem Image Deutschlands schaden und dass trotz der Green Card junge Experten oft eine Arbeit in Großbritannien oder den USA einem Angebot aus Deutschland vorziehen. Nur wenige Unternehmen sind bereit, die Jugendinitiative großzügig zu unterstützen, da sie keinen unmittelbaren Vorteil für ihre Firma sehen.

Es sind die kleinen Schritte eines jeden, die die Stimmung in Deutschland verändern können. Die Menschen, die Jugendliche aus dem Ausland bei sich aufnehmen, sind die wichtigste Stütze des Projektes. Gastgeber kann jeder werden, der unentgeltlich Kost und Logis anbieten kann. Es geht um eine Schlafmöglichkeit, Frühstück und eine gemeinsame Mahlzeit. Für den Jugendlichen muss nicht extra gekocht werden. Die Gastfamilie muss kein spezielles Programm organisieren, kann aber, wenn sie will, dem Gast die eigene Stadt zeigen, ihn zum Fußball oder ins Theater mitnehmen. Der Jugendliche kann von seiner Heimat erzählen.

Noch stehen viele junge Menschen auf einer Warteliste. Mittel für die Reisekosten, den Aufenthalt in Deutschland fehlen noch - und auch Gastfamilien. Wenn das Projekt am 31. Oktober beendet ist, wird sich herausstellen, ob Deutschland das gastfreundliche Land ist, das es gerne sein möchte. Wir werden sehen, ob diese Idee, die Jugend der Welt für einen Sommer nach Deutschland einzuladen und den Austausch zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen zu organisieren, funktioniert hat oder nicht. Wir werden feststellen, ob das Engagement von uns Deutschen dem Anspruch gerecht geworden ist, oder ob es nur eine schöne Vision war. Wir werden uns entscheiden müssen, ob wir die Jugend der Welt in ein paar Jahren wieder nach Deutschland einladen wollen oder ob das Experiment gescheitert ist. Es liegt allein an uns.

Cornelia Poczka

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