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Selbst vor Gericht zeigen rechte Gewalttäter oftmals keinerlei Reue. Stattdessen äußern sie Sätze wie "war doch nur ein Punk" und "wir wollten Assis klatschen".

© dpa

Rechtsextreme Gewalt: Die Tätersicht - Porträt zweier Mörder

Erbarmungslos aus Überzeugung: Rechtsextreme Gewalttäter gehen häufig mit großer Brutalität vor. Auch Johannes K. und Marco S., die im August 1999 den Obdachlosen Peter Deutschmann zu Tode quälen. Elf Jahre danach steckt einer der beiden noch tiefer im Nazi-Sumpf - und einer wird Pastor.

Der Obdachlose Deutschmann, der von der Gemeinde eine Sozialwohnung zugewiesen bekommen hatte, galt in Eschede als "Hippie". Er kannte die Täter schon lange, war mit einem ihrer Väter befreundet und hatte sich schon mehrfach mit ihnen über ihre politischen Ansichten gestritten. Kurz vor der Tat hatte Deutschmann den arbeitslosen Marco S. und den ein Jahr jüngeren Gymnasiasten Johannes K. aufgefordert, "den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe" zu lassen. In Eschede war bekannt, dass Marco S. schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten war und wegen Körperverletzung und neonazistischer Propagandadelikte unter Bewährung stand. Peter Deutschmann bezahlte seine Auseinandersetzung mit dem Naziskinhead-Duo mit dem Leben.

Aus Wut über die Kritik an ihrem neonazistischen Auftreten und Einstellungen verschaffen sich die beiden Täter Zutritt zu Peter Deutschmanns Wohnung, treten und schlagen auf den schlaftrunkenen 44-Jährigen ein, misshandeln ihn mit Glasscherben. Sie zertrümmern seinen Kehlkopf und fügen ihm zahllose Schlag- und Schnittverletzungen zu. Um zu verhindern, dass Deutschmann Hilfe holt, zerschlagen sie das Telefon. Dann verschwinden sie. Das Opfer lassen sie stark blutend und schwer verletzt zurück. Als Nachbarn Stunden später die Hilferufe hören, kommt jede Rettung zu spät. Peter Deutschmann stirbt im Krankenhaus an seinen schweren Verletzungen. Das Landgericht Lüneburg verurteilt im Januar 2000 beide Täter wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu einer fünfjährigen Jugendstrafe; einen politischen Hintergrund will es nicht erkennen.

Elf Jahre sind seit dem Tod von Peter Deutschmann vergangen. Einer der Täter, Johannes K., trat kürzlich auf einer Veranstaltung vor Konfirmanden in der Hermannsburg auf. Dort beschrieb er seinen Weg in die Neonaziszene und den schwierigen Ausstieg. Den Jugendlichen erzählte er, die Haft sei für ihn "ein Glücksfall" gewesen. Dort sei er religiös geworden. Und weil ihn die Anstaltsleitung in in eine Zelle mit migrantischen Mithäftlingen legte, sei er gezwungen gewesen, sich mit ihnen auseinander zu setzen und habe sich sogar mit einigen seiner Mitgefangenen angefreundet. Heute studiert der 28-Jährige evangelische Theologie und hofft in zwei Jahren als Pastor zu arbeiten. "Ich habe eine zweite Chance bekommen und bin froh, dass sie mir ermöglicht wurde", sagte er vor kurzem in einem Interview.

Ganz anders verlief das Leben des anderen Täters: Marco Siedbürger vertieft während der Haftzeit seine Kontakte in die niedersächsische Neonaziszene. In der Jugendhaftanstalt Hameln lernt er Marcus Winter kennen, der wegen Entführung und Misshandlung eines jungen Antifa-Aktivisten in Schaumburg einsitzt. Das Duo gründet die "Kerkerkameradschaft Hameln³. Über Winter findet Siedbürger nach seiner Haftentlassung leicht den Einstieg in die Szene der militanten Freien Kameradschaften in der Region Weserbergland - und macht fortan überall da mit, wo auch der zwei Jahre ältere Winter aktiv ist. Beispielsweise in der Kameradschaft "Nationale Offensive Schaumburg³, die seit langem als Vorreiter für die militante Kameradschaftsszene in Niedersachsen gilt und deren Website ein Zitat aus Hitlers "Mein Kampf³ vorangestellt ist. Siedbürger, der mittlerweile statt Glatze und Springerstiefel schwarzes Basecap, Turnschuhe und Kapuzenjacke trägt, wird schnell zum "Kampfhund der Kameradschaft³, sagen Beobachter. Als Beruf gibt der verheiratete Vater zweier Kinder Schlachter an.

Endlose Bewährungszeit

Als er seine Haftstrafe für den Tod an Peter Deutschmann verbüßt hat, legt das Landgericht eine Führungsaufsicht für Marco Siedbürger bis Ende Juli 2007 fest. Das hindert ihn jedoch nicht daran, noch in dieser Zeit erneut zuzuschlagen. Bei der nächsten Straftat ist das Amtsgericht Bückeburg zuständig - Siedbürger wird zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und die Bewährung bis Mitte Juni 2010 verlängert. Da überrascht es kaum, dass er im Juli 2008 erneut auffällt - dieses Mal bei einem Überfall auf ein alternatives Jugendzentrum in Detmold.

"Ich bringe dich um, ich bringe dich um", habe er gebrüllt, als er wie von Sinnen auf sie eintrat, sagt die 20-jährige Nicola Keller (Name geändert). Die junge Frau engagiert sich in einer Antifagruppe in der Nähe von Hannover. Sie gehört zu denjenigen "politischen Gegnern" , die die "Nationale Offensive Schaumburg³ als explizite Zielscheibe für Drohungen und Terror ausgesucht hat. Auch engagierte Staatsanwälte, Polizeibeamte, Lokaljournalisten und Eltern von Betroffenen sowie der mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnete Flüchtlingsaktivist Frank Gockel, erhalten seit langem regelmäßig Drohungen und werden auf neonazistischen Internet-Plattformen namentlich genannt. Ignoranz verstärkt Überlegenheitsgefühl "S. fühlt sich vollkommen überlegen und unangreifbar", beschreibt die junge Frau dessen Auftreten. Kein Wunder, denn jahrelang gingen der polizeiliche Staatsschutz und die Justiz extrem zögerlich gegen die Kameradschaftsszene, gegen S. und seinen Freund W. vor. Ein Staatsschutz-Beamter wurde schließlich versetzt, nachdem öffentlich wurde, dass er bei einem "Nationalen Fußballturnier" den Pokal überreicht und seine Ehefrau Marcus W. beschäftigt hatte.

"Marco S. und Marcus W. haben das Prinzip der Täter-Opfer-Umkehr perfektioniert - mit Hilfe von Strafverfolgern, die die Gefahr immer noch Links von der Mitte verorten", sagt Kellers Anwalt. Mit Drohungen wie "Es ist schon mal einer liegen geblieben, das kann euch auch passieren. Ich weiß wenigstens, wie man es richtig macht", gelinge es Siedbürger immer wieder, Menschen einzuschüchtern, sagt Keller. Sie will sich nicht einschüchtern lassen. Und wünscht sich, dass der geplante Gedenkstein für Peter Deutschmann in Eschede endlich aufgestellt wird.

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